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Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf

Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf

Titel: Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
Autoren: Glenn Meade
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elf Jahre zuvor. Obwohl von Geburt Deutscher, hatte Kass es nicht sonderlich gefallen, in Hitlers Wehrmacht einberufen zu werden. Er wollte vor dem Krieg nach Luzern emigrieren, wo der Onkel seiner Frau eine Bäckerei führte. Aber er hatte Deutschland zu spät verlassen, so wie er vieles in seinem Leben zu spät getan hatte.
    »Vertrau mir, Hilda«, hatte Kass seiner Frau versichert, als man von einem bevorstehenden Krieg munkelte. Sie hatte vorgeschlagen, sich rasch in die Schweiz zu ihrer Familie abzusetzen. »Es gibt bestimmt keinen Krieg, Liebchen«, hatte er behauptet.
    Zwei Tage später hatten Hitlers Armeen Polen angegriffen und damit den Zweiten Weltkrieg entfacht.
    Es sollte nicht Kass’ einziger Irrtum bleiben. Vor allem war es ein Fehler gewesen, sich freiwillig an die Ostfront zu melden. Kass hatte diesen Schritt unternommen, weil die deutsche Armee wie ein Sturm durch die ukrainische Steppe fuhr, und weil die Russkis seiner Meinung nach schmutzige und dumme Bauern waren. Der Krieg gegen die Russen mußte ein Spaziergang sein.
    In einem Punkt sollte er recht behalten. Die Russen, die Kassgetroffen hatte, waren im allgemeinen arme Bauern. Aber sie waren auch aufopferungsvolle Kämpfer. Und der schlimmste Feind war der russische Winter. Er war so kalt, daß einem beim Wasserlassen der Urin gefror. Die baltischen und sibirischen Winde, die über die Steppe fegten, waren so eiskalt, daß die eigene Scheiße binnen Minuten steinhart gefroren war.
    Als Kass das erste Mal seinen eigenen gefrorenen Haufen sah, hatte er gelacht. Doch das Lachen sollte ihm schnell vergehen. Denn als er mit seinem Bajonett in der eigenen Scheiße stocherte, wurde er von der Kugel eines Heckenschützen getroffen. Es war ein sauberer Schuß aus zweihundert Metern Entfernung, und er traf ihn in die rechte Seite seines nackten Hinterns. Der Russki, dem dieser Sonntagsschuß gelungen war, hatte sich bestimmt vor Lachen bepißt. Kass hatte nicht mehr gelacht, sondern nach drei Wochen Feldlazarett feststellen müssen, daß er beim Gehen nun ein Bein nachzog.
    Manfred Kass war es gewohnt, daß er Fehler machte.
    Doch der Fehler, den er an diesem Dezembermorgen im Wald vor Luzern begehen sollte, erwies sich als der größte seines Lebens.
    Kass kannte die Wälder ziemlich gut. Er wußte, welche Wege wohin führten, und er wußte auch, wo man am besten Kaninchen schießen konnte. Aus dem Kaninchenfleisch bereitete er einen sehr schmackhaften Eintopf zu, der gut zu dem frischen mehligen Brot paßte, das er sechsmal in der Woche backen half. Der Gedanke ans Essen machte ihn hungrig, und er stapfte zielstrebig durch den Wald. Als er sich der Lichtung näherte, klappte er die Waffe zu.
    Es herrschte noch schwacher, dunstiger Bodennebel, aber das Tageslicht wurde immer heller; es würde reichen, sauber zu zielen.
    Manfred Kass kannte den gewaltsamen Tod. Er hatte ihn in den verschneiten Steppen Rußlands oft genug zu Gesicht bekommen. Aber was er hier sehen sollte, übertraf diese Erfahrungen bei weitem. Es kam ihm wie das Böse selbst vor.
    Während Kass sich vorsichtig auf die Lichtung zu bewegte, hörte er Stimmen. Er blieb stehen und rieb sich das unrasierte Kinn. Er hatte zu dieser frühen Stunde noch nie jemanden im Wald getroffen, und die Stimmen weckten seine Neugier. Vielleichtwar er ja über ein Liebespaar gestolpert, das nach einer durchtanzten Freitagnacht in Luzern in die Wälder gegangen war, um es hier miteinander zu treiben. So was kam gelegentlich vor. Aber heute hatte Kass keinen Wagen an der Straße gesehen, auch keine Fahrradspuren auf den Waldwegen. Als er aus dem Wald auf die Lichtung trat, starrte er fassungslos auf die Szene vor ihm und blieb wie angewurzelt stehen.
    Ein Mann in Hut und dunklem Wintermantel stand mitten auf der Waldlichtung. Er hielt einen Revolver in der Hand. Was Kass daran schockiert war die Tatsache, daß der Mann mit der Waffe auf einen Mann und ein junges Mädchen zielte, die im feuchten Gras knieten. Ihre Gesichter waren leichenblaß, und man hatte ihnen Hände und Füße mit Stricken gefesselt.
    Kass wich stolpernd zurück; sein Magen brannte, und ihm brach der kalte Schweiß aus. Der kniende Mann schluchzte herzerweichend. Er war in mittlerem Alter und hatte ein schrecklich mageres, krankhaft graues Gesicht. Kass bemerkte die dunklen Schwellungen unter seinen Augen und die Wunden an seinen Händen. Er mußte übel geschlagen worden sein.
    Das Mädchen weinte ebenfalls, doch es hatte einen weißen
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