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Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf

Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf

Titel: Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
Autoren: Glenn Meade
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eine Beerdigung und – im Fall meines Vaters – auch ein dramatisches Ende eines dramatischen Lebens.
    Das Kloster von Nowodewitschi liegt südlich von Moskau. Die alte orthodoxe Kirche aus dem sechzehnten Jahrhundertwar von Mauern aus ausgebleichtem Stein umgeben und wurde von fünf goldenen Kuppeln gekrönt. Hinter den Gittertoren, durch die man auf den Friedhof gelangte, erstreckte sich ein Labyrinth aus schmalen Wegen zwischen Unkraut, marmornen Grabsteinen und alten Grüften.
    Bis vor ein paar Jahren war der Friedhof der Öffentlichkeit nicht zugänglich gewesen. Chruschtschows Grab lag nicht weit entfernt. Es war ein massives Monument aus weißem und schwarzem Marmor. Stalins Frau und ihre Familie ruhten weiter rechts. Tschechow. Schostakowitsch. Unter weiteren großen Grabstätten aus Marmor ruhten die Helden der Sowjetunion, Schriftsteller und Schauspieler, Männer und Frauen, die der sowjetischen Geschichte ihren Stempel aufgedrückt hatten. Mein Vater machte sich merkwürdig zwischen ihnen. Er war Amerikaner.
    Während ich im strömenden Regen unter tropfenden Ästen in einer Ecke des Friedhofes stand, beobachtete ich, wie der grauhaarige Mann leise mit dem Priester sprach. Der nickte und zog sich unter einen Baum zurück, der ein paar Schritte entfernt stand.
    Der grauhaarige Mann war Ende Vierzig, groß und gut gebaut. Unter dem regenfeuchten Umhang trug er einen modischen blauen Anzug und lächelte mich herzlich an, als er auf mich zukam.
    »Ein ziemlicher feuchter Tag für einen solchen Anlaß, finden Sie nicht?« Er reichte mir die Hand. »Brad Taylor, Botschaft der Vereinigten Staaten. Sie sind Massey, nicht wahr?«
    Er hatte einen festen Händedruck.
    »Ich hatte schon befürchtet, Sie würden es nicht schaffen«, erwiderte ich.
    »Entschuldigen Sie die Verspätung. Ich wurde in der Botschaft aufgehalten.« Er nahm eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche und bot mir eine an. »Rauchen Sie? Ich hoffe, es wirkt nicht despektierlich.«
    »Überhaupt nicht. Danke, ich nehme gern eine.«
    »Es ist eine schreckliche Angewohnheit, aber an solch tristen Tagen spendet es ein bißchen Trost.«
    Nachdem er unsere Zigaretten angezündet hatte, warf er dem Priester einen Seitenblick zu. Der hatte aus seiner weißenRobe unter dem schwarzen Umhang eine Bibel hervorgezogen und las darin.
    »Bob hat mir erzählt, daß Sie als Journalist bei der Washington Post arbeiten«, sagte Taylor. »Sind Sie schon mal in Moskau gewesen, Mr. Massey?«
    »Einmal, vor etwa fünf Jahren. Aber nur kurz. Im Rahmen meiner Arbeit. Was hat Bob Ihnen noch erzählt?«
    Taylor lächelte und zeigte dabei seine perfekten, gleichmäßigen weißen Zähne. »Genug, um zu wissen, daß es nicht überflüssig wäre, Sie zu treffen. Er hat gesagt, Sie wären ein alter Freund von ihm aus Ihrer gemeinsamen Schulzeit im Internat. Sie hätten in seiner Einheit in Vietnam gedient. Außerdem hat er mich gebeten, dafür zu sorgen, daß Ihr Aufenthalt in Moskau glatt verläuft. Darauf hat Bob besonderen Wert gelegt.«
    Taylor schien noch etwas sagen zu wollen, zögerte jedoch und blickte erneut zu dem Priester hinüber, der gerade zu Ende gelesen und ein kleines Weihrauchgefäß entzündet hatte und nun zu uns kam.
    »Wir können wohl anfangen«, bemerkte Taylor. »Übrigens spricht der Priester Englisch. Ich dachte, es wäre Ihnen recht. Ich glaube, wir haben an alles gedacht, worum Bob gebeten hat.«
    Jemand hatte einen neuen Marmorstein gegen einen Baum gelehnt. Ich konnte die schlichte Inschrift in kyrillischen Buchstaben entziffern.
    Jakob Massey
3. Januar 1912 – 1. März 1953
    Daneben lag ein alter Grabstein ohne Inschrift, den man vom Grab entfernt hatte. Er war von grünem Moos überwuchert und mit den Jahren verwittert. Ein anderer Stein, der genauso alt aussah, lag noch auf dem Boden und markierte ein zweites Grab unmittelbar neben dem meines Vaters. Aus den Augenwinkeln sah ich zwei Totengräber mit Umhängen etwas weiter entfernt unter einigen Bäumen stehen. Sie warteten darauf, den Grabstein meines Vaters aufstellen zu können.
    Während ich da stand, wurde mir klar, wie die Dinge sich so plötzlich zusammengefügt hatten. Es war einer dieser seltenen Fälle, in denen der Zufall sich wirklich alle Mühe gibt, einen davon zu überzeugen, daß es so etwas wie Schicksal gibt. Vor einer Woche – und fünftausend Meilen entfernt – hatte ich in Washington den Anruf aus Langley erhalten, in dem man mir mitteilte, die
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