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Operation Glueckskeks

Titel: Operation Glueckskeks
Autoren: York Pijahn
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als Krankenschwester und noch blutrünstigere von der Flucht von Schlesien Richtung Westen auf den Tisch, auf dem bereits meine Tanzstundenfotos liegen und ein aus Salzteig gekneteter Aschenbecher, den ich meiner Mutter 1981 zum Muttertag geschenkt habe.

    Man kann das Gegenteil behaupten, doch trotzdem stimmt es: Man trägt sein Dorf immer mit sich rum. Egal ob man in Hamburg, Berlin oder New York wohnt oder eine Partnervermittlung auf den Ringen des Saturn betreibt. Zurück im Dorf, fällt die Tarnung weg, egal wie viele Kilometer, Jahre und Einkommensklassen man zwischen sich und das Dorf gebracht hat. Man ist hier nicht mehr der mit dem schicken Job oder dem silbernen Laptop, sondern der, der von Uwe Kleinekatthöfer in den Bullerbach gestoßen wurde und der auf der Klassenreise nach Münster seinen Eiersalat ausgekotzt hat. Man ist nackt und der, der nach dem Abi abgehauen ist und sich jetzt ein bisschen verschämt blicken lässt.
    Während Mama ihr Wohnzimmer in ein Matratzenlager verwandelt, gehen neue Freundin und ich am Bahndamm spazieren. Sie hakt sich unter, es schneit auf einen Parkplatz im Laternenlicht, »auf dem früher mal die Pferdewiese war.« Ich klinge so rührselig wie Peter Scholl-Latour, bei einem Rundgang durch Stalingrad. Wir gehen an meiner alten Schule vorbei und beim Süßigkeitenladen, das wären dann die Attraktionen des Dorfes. Alles ist kleiner als ich es in Erinnerung habe. Man sieht es durch die Augen des Kindes und durch die Augen von heute, und die Seele fängt an zu schielen. Man ist traurig, man ist glücklich.
    »Und, wie hat es Euch gefallen?« Meine Mutter steht im Gegenlicht, das aus dem Wohnzimmer scheint. »Es ist schön«, sagt neue Freundin. »Es ist wie immer«, sage ich.

Operation Tandem: Sport mit der Freundin
    I n meinem Freundeskreis gibt es Paare, die sich seit neuestem eine Mail-Adresse teilen. Ich glaube, sie wollen zeigen, dass der eitle und unstete Fluss des Privatlebens jetzt in den lauwarmen Ozean des Familienlebens gemündet ist. Diese Paare haben unheimlich kreative Anrufbeantworter-Ansagen, in denen immer Kindergegacker vorkommt und die alle so klingen: »Das ist der Anrufbeantworter von Thomas (Pause), Theresa (Pause) und (Kindergegacker, Erwachsenengetuschel) Ben-ja-min!« Die Botschaft: Uns gibt es nur in der Familienpackung. Wir halten zusammen wie die Panzerknacker. Wir haben Aluräder mit Kinderanhänger, wir lieben unsere Janosch-Fahrradhelme. Wir sind die Trapp-Familie und haben alle die gleiche Regenkombi an, juchhu!
    Ich klinge kurzatmig, giftig und genervt? Ich bin es! Denn ich komme mir dagegen vor wie ein asozialer Windbeutel, der dauernd auf seine Privatsphäre pocht. Der Zeit allein will, um 19 Folgen »Crossing Jordan« auf DVD zu gucken und mit seinen Freunden Squash zu spielen.
    Schauen wir den Tatsachen ins Auge: Ich bin ein Neidhammel mit Aszendent Miesepeter. Ein bitteres Fazit für einen Mann Mitte 30. Deshalb habe ich jetzt einiges in meinem
Privatleben umgestellt. Weg vom »Ich«, hin zum »Wir«. Sport mache ich jetzt immer mit meiner Freundin. Wir spielen Squash, joggen Hand in Hand und tragen die gleichen magentafarbenen Kapuzenpullis. Kürzlich haben wir sogar ein Frisbee durch den Park geworfen, als wären wir das Paar aus der Margarine-Werbung. Wie sich das anfühlt? Ich mache es kurz: mies. Es funktioniert nämlich nicht.
    Männer und Frauen sollten viele Dinge gemeinsam tun, Sport gehört nicht dazu. Und auch wenn ich jetzt klinge wie der Direktor einer Koranschule in den afghanischen Bergen: Ich bin für eine strikte Trennung von Männer- und Frauen- sport. Was treibt Männer an? Exakt: zu gewinnen, um jeden Preis. Keine gute Basis für Fitness mit der Freundin. Dass man ein Hochgefühl daraus zieht, morgens auf dem Weg ins Büro auf einem zergurkten Hollandrad einen Fahrradkurier abzuhängen, ist Frauen schwer zu erklären. Und dass man nicht einfach mal locker ein bisschen Frisbee spielen kann, lässt sich ebenso schwer vermitteln. Ich sag’s nur ungern, aber was soll sportlich daran sein, in silbernen Turnschuhen zu Bauch-Beine-Po zu gehen und danach Bionade mit einer komplizierten Geschmacksrichtung zu bestellen? Klingt entspannt. Nach Freizeit. Nach Spaß. Für Männer unvorstellbar. Eine Runde Federball spielen, Volleyball am Strand? »Ich hab den Ball nicht gekriegt! - Ach, macht doch nichts!« Dieser Satz hat im Männerkopf keinen Platz.
    Im Urlaub wollen wir zusammen Tandem fahren, ich soll hinten sitzen. Eine
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