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Operation Glueckskeks

Titel: Operation Glueckskeks
Autoren: York Pijahn
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geküsst zu werden, brauchte das Gegenüber eine Kneifzange. Oder sehr viel Liebe. Oder Freude am Geschmack von besabbertem Stahl. Sie ahnen es, man wurde mit so einem Gerüst am Kopf sehr wenig geküsst. Heißt: Man wurde nie geküsst.
    Aber bevor ich jetzt im Pool des Selbstmitleids meine Bahnen ziehe, sage ich es lieber gleich - es gab natürlich eine Gruppe, die von sich behauptete, noch viel mieser dran zu sein als Zahnspangen-Teenager: Mädchen mit Brillen. Die, denen man erst im Kindergarten ein Auge mit einem hautfarbenen Pflaster abklebte, um ihnen dann später eine Brille Modell »Robert Lembke« aufzusetzen. Ein Monster mit Bügeln. Wo eben noch ein Kindergesicht war, wuchs plötzlich ein verlassenes Gebäude mit Glasfassade aus dem Kragen,
eine Lupen-Visage. Im Nachhinein würde ich gern allen ehemaligen Brillenmädchen ein zerknautschtes »Tut mir echt leid« rüberreichen. Denn heute bin ich ein Fan. Von den Mädchen, die jetzt Frauen sind - mit Brillen.
    Illu. 2

    Warum? Weil Frauen mit Brillen an Männer ein eindeutiges Signal senden. Einen kurzen Impuls, der von der Brille aus durch den Raum jagt und im Männerkopf ankommt. Und der Impuls klingt ungefähr so: »Ich führe ein Doppelleben, du weißt das, ich weiß das. Wenn ich diese Brille aufhabe, werde ich in der nächsten Konferenz klügere Dinge sagen als du, werde ich schneller denken, rechnen, sprechen, schreiben als du. Weil ich im Arbeitsmodus einfach unschlagbar bin und meine Hausaufgaben gemacht habe. Und wenn ich diese Brille auf die Nasenspitze rutschen lasse, dann kann ich dir direkt in die Seele gucken, du kleiner Scheißer.« Angst, Gefahr, Dominanz, das geheimnisvolle Wissen des Physik-Leistungskurses, Verletzlichkeit. Ich glaube, an dieser Stelle sollte das erste Mal das Wort »sexy« fallen, können wir uns darauf einigen?
    Doch das ist nur die eine Seite des Doppellebens: Denn Männer neigen dazu, in jeder Brillenträgerin eine Frau zu sehen, die irgendwann ihre Brille auch mal abnimmt. Wird sie das für mich tun? Diese Frage querschlägert durch den Männerkopf wie eine Flipperkugel, sobald eine schöne Frau mit Brille den Raum betritt. Wird sie die Bügel zusammenfalten? Wird sie dann so einen unfassbaren Satz sagen wie: »Ein Kuss wäre jetzt gut, oder?«

    Büromodus also einerseits und sexy Brille-Abnehmen andererseits. Genau auf der Grenze zwischen beiden ließ sich der Designer Yves Saint Laurent einmal fotografieren (ein Mann, zugegeben, wenn auch ein sehr androgyner). Um der Welt zu zeigen, wie von-den-Füßen-kloppend sexy eine Brille aussehen kann. Für die Kampagne seines Parfums »Pour Homme« legte er alle Kleider ab. Nur seine Brille ließ er auf. Er sah nicht einfach nackt aus, sondern - wegen der Brille - wie jemand, der sich gerade erst ausgezogen hat. »Brillen können sehr geheimnisvoll sein, wenn man sie korrekt trägt«, hat Sängerin Anastacia einmal gesagt, die Frau, die immerhin 30 Brillen im Schrank liegen hat - die zu ihrem Markenzeichen gehören wie ihre Soulstimme. Und wie trägt man eine Brille korrekt, wollte der Journalist, der sie interviewte, dann von Anastacia wissen. Antwort: »Selbstbewusst. Das ist immer korrekt.«
    Männer sehen in jeder Brillenträgerin eine Frau, die ihre Brille irgendwann mal abnimmt: »Wird sie das für mich tun?«

Das Band der Liebe: Wenn Jungs Kassetten aufnehmen
    A uf meiner inneren Liste von Dingen, die mich bis zum Nasenbluten nerven, stehen Mitte-30-Jährige gerade ganz oben. Und zwar diejenigen, die sich vor Rührung blinzelnd nach den 80er-Jahren zurücksehnen. Ja, da gab es noch »Brauner Bär« und die Musik von »Ein Colt für alle Fälle«. Ja, auch ich fand den Kalten Krieg übersichtlicher als den Gedanken, irgendwo in meiner Straße eröffne gerade der Al-Qaida-Ortsverein eine neue Filiale.
    Das Problem an meiner Retro-Schelte ist bloß: Ich heule selbst den 80ern hinterher. Wegen eines Stücks Kunststoff mit Sichtfenster, diesem flachen Plastik-Rechteck, das leise klackert, wenn man es schüttelt. Wegen dir, Mixtape. Mischkassette, Superstar, zwei Seiten, 90 Minuten, knapp 30 Lieder passen drauf, ja Lieder, Songs sagte damals nämlich noch keiner, es gab ja auch noch keine Dates, sondern Verabredungen, keine Handys, sondern nur bananengelbe Telefonzellen. Retro? Meinetwegen. Aber wie kalt und ausgebufft wirkt eine gebrannte CD gegen ein Mixtape! Das Unikat hier, die tausendfach Reproduzierbare da. Auf die Gefahr hin, jetzt zu klingen wie der »Werthers
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