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Operation Glueckskeks

Titel: Operation Glueckskeks
Autoren: York Pijahn
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gute Übung für mein überbordendes männliches Konkurrenzdenken.

    Ist Ihnen aufgefallen, wie wenig Männer dem Paartanz und der Jazzgymnastik zugetan sind? Wenn man wenigstens den Gegner umwerfen, anbrüllen, ihm die Wasserflasche über dem Kopf ausschütten oder mit dem heulenden Verlierer Trikots tauschen könnte!
    Als ich das letzte Mal mit meiner Freundin »einfach mal total locker, ohne Druck, eine Runde joggen« war, habe ich ein Gespräch über unseren nächsten Urlaub eingefädelt. Ein Täuschungsmanöver, denn als sie anfing, von Südfrankreich zu schwärmen, war das meine Chance, einen Schlusssprint hinzulegen. 200 Meter, Puls wie eine Rakete, Flimmern vor den Augen, Blutgeschmack im Mund, der Sieg zum Greifen nah. Dass meine Freundin mich trotzdem eingeholt hat, war schlimm. Dass sie es aber geschafft hat, im vollen Lauf einfach weiter über den Urlaub zu reden, fühlte sich an wie ein Tritt in die Seele.
    In Südfrankreich wollen wir übrigens zusammen Tandem fahren, ich soll hinten sitzen, das sei eine gute Übung für mein überbordendes männliches Konkurrenzdenken, sagt sie. Ich lege in den folgenden Satz allen mir zur Verfügung stehenden Sarkasmus: Ich kann es kaum erwarten.

    Illu. 21

Fluppenfinale: Meine Freundin hört mit dem Rauchen auf
    M anchmal stelle ich mir vor, ich hätte die Wahl zwischen drei Dingen: In meiner Küche wird ein Truppenübungsplatz eröffnet. Die Festplatte meines Laptops verwandelt sich in Hüttenkäse. Meine Freundin hört mal wieder mit dem Rauchen auf.
    Wenn ich die Wahl hätte, würde ich mich sofort für den Truppenübungsplatz entscheiden. Es gäbe einen Schützengraben zwischen Küche und Wohnzimmer, abends grummelt ein Panzer durch den Flur, ein Hauch von Abenteuer in der Yuppie-Bude. Aber man hat eben nicht immer die Wahl. Meine Freundin hört gerade mit dem Rauchen auf. Zum vierten Mal in acht Monaten. Vier Wörter: Es. Ist. Die. Hölle.
    Seit ich denken kann, habe ich Raucherfreundinnen. Ich glaube, das liegt daran, dass ich aus einer Raucherfamilie komme. »Lasst uns eine rauchen!« Auf diesen Satz reagierte meine Familie immer schon so begeistert wie ein Haufen Wikinger, dem man vorschlägt, ein Küstenstädtchen zu brandschatzen.
    Meine Mutter war die beste Freundin meiner Teenagerkumpel, weil sie immer allen eine anbot, begleitet von dem zu jeder Situation passenden Satz: »Auf den Schreck eine rauchen!« Lagerfeueratmosphäre auf Knopfdruck in einer dunklen Mansardenwohnung im Süden Bielefelds. Meine Mutter rauchte dünne Zigaretten, mit denen sie wie jemand aus dem »Denver Clan« aussah und meine Freunde wie tantige Zuhälter.

    Illu. 22

    Dass die Lungen meiner Familie an Luftbilder von Abraumhalden im Ruhrgebiet erinnern, ist ein offenes Geheimnis. Auch die Küsse meiner Freundinnen schmeckten nach Mamas Zuhälterfluppen, die Welt war ein muffig riechender, aber familiärer Ort. Dass ich selbst nie mit dem Rauchen angefangen habe, lässt sich nur durch einen Gendefekt erklären oder - wie meine Mutter sagt: »Man hätte den Jungen zielstrebiger ans Rauchen ranführen müssen.«
    So, und jetzt hört meine Freundin mal wieder damit auf. Und als der übereifrige Streber sage ich dann mit hollywoodreifem Pathos: »Das schaffen wir gemeinsam.« Sie merken schon, wie hier pädagogisches Schmiermittel durch die Sätze trieft. Meine Freundin, die Ex-Raucherin, ich, der Küchenpsychologe.
    Nach zwei Tagen lobe ich ihren viel frischeren Teint (gelogen) und nach drei Tagen, dass die Wohnung jetzt viel besser riecht (total gelogen). Dann feuere ich meine Plattitüden ab: »Nein, du hast nicht zugenommen, im Gegenteil; klar, das spart echt viel Geld, pro Jahr ein Urlaub; klasse Willensstärke, wie du das hinkriegst.« Ich mache es kurz: Ich mutiere zum Schleimbolzen.
    Ich habe in diesen Phasen eine spezielle Art, »Hey, total super!« zu sagen, die so verlogen klingt, dass ich manchmal Gänsehaut auf dem Herzen bekomme. Sie: »Gestern habe ich wieder keine geraucht!« Ich: »Hey, total super!« Sie: »Na ja, eine habe ich auf dem Balkon geraucht.« Ich: »Trotzdem total super!«

    Ich weiß, dass dieser Satz eigentlich für Paare reserviert ist, die gerade ein Baby bekommen haben, aber ich muss ihn trotzdem sagen: Die Nächte sind das Schlimmste. Wenn man um drei Uhr nachts von einer sehr wachen Stimme gefragt wird: »Wäre es sehr schlimm, wenn ich wieder mit dem Rauchen anfange?« Oder: »Hast du in deiner Wohnung irgendwo Zigaretten versteckt?« Wir wissen
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