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Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Titel: Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)
Autoren: Frank Schulz
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sechsundsiebzigjährigen Hammerbrookerin: »Wat is dor denn koputt. Wat will de denn. Wat sall dat. Werner. Werner.«
UT: Was ist da denn los? Was will der denn, Werner?
    (Ellen beschrieb die Frisur der alten Frau später recht plastisch als ›Pusteblum‹.) Der Stimme eines siebenundsiebzigjährigen Hammerbrookers: »Wat will de denn. Wat sall dat denn.«
UT: Was will der denn? Was soll das denn?
    Den tosenden Kraulhieben. Stimmengewirr der übrigen vier Achterdeckspassagiere, zweier junger Pärchen, leicht bekleidet, gepiercet. Zu verstehen nur wiederkehrende Wendungen in vier verschiedenen Stimmlagen: »Schwert … Dolch … krass, Alter …« (Diese vier jungen Leute waren diejenigen, die am raschesten begriffen. Die kurz nach der Kaperung über Bord springen, zurück zum Anleger schwimmen und in der Live-Schalte von Agora TV Hamburg schon als Augenzeugen berichten sollten, als die Geiselnahme noch lief.)
    Nach wie vor zum Bild der Khaki-Shorts hört man als nächstes, wie der Motor der Saselbek aussetzt. Mitten in der Koda der Schlumper Shantyboys (»… Saaa-cra-men-tooo!«). Doch aus dem vierzehnköpfigen Publikum heraus erschallt ungerührt ein Einzelapplaus, wie er typisch ist für Typen, die erst merken, was um sie herum passiert, wenn es sie in den Hintern tritt. (Angeblich handelte es sich um das Herrchen jener weißen Schäferhündin, die der Hüne rund fünf Minuten später enthaupten sollte.)
    Erich L., Schiffsführer und Schaffner, hatte im Führerhaus trotz Rückspiegels nur erahnen können, was da achterwärts geschah. Weil er befürchtete, daß sich jemand an der Schraube verletzen könnte, hatte er die Maschine entschlossen gestoppt. Und dem Hünen damit ein Quentchen Kraft erspart, das der Eleganz seines Manövers nicht eben abträglich war.
    Und so herrscht im letzten Drittel der ›Stilleben-Phase‹ nur mehr eine Geräuschsorte vor. Kein Shanty, kein Schiffsmotorpuckern, kein menschliches oder auch nur Möwengeschrei, kaum Autoverkehr, vielleicht wegen Ampelphasenwechsels. Sondern man hört eine Abfolge von Wassertritten und kryptosexuellen Raubtierlauten. Während dieser Phase nahmen Dagmars organische Linsen wahr, wie der irre Hüne die Saselbek einholte und enterte.
    Ein seltsamer Anblick, die Draufsicht auf das herankraulende Wesen. Ein Menschentier, dem man das Fell über die Ohren gezogen und Kriegsbemalung verpaßt hatte. (Wobei … welche Ohren eigentlich?) Oder ein Riesenlurch. Ein monströser, mordsmuskulöser Salamander, dessen Leibzeichnung die Mimikry einer hanebüchenen Kultur zu sein schien. Alle Regenbogenfarben kamen vor, doch auch – auf dem breiten Kreuz – viel Braungeschiefertes wie Hühnergefieder und, insbesondere entlang den Extremitäten, das Steakrot von Fleischfasern, und auf dem Schädel eben Hirngrau … Einzelheiten zu unterscheiden aber war bei der Rapidität der Handlung unmöglich.
    Nach einer Rumpfbewegung im Delphinstil schnellte der Hüne mit dem letzten Kraulschlag bis zur Taille aus dem Wasser. Hechtete ans Heck des Schiffes. Wuchtete, innerhalb ein und derselben Aufwärtsdynamik, seine Bruttoregisterzentner auf der rotlackierten Fenderkante in den linkshändigen Stütz. (Grollen durch die Gurgel, bei geschlossenen Kiefern, die die Dolchklinge gleich hinterm Parier schraubstockfest fixierten.) Haschte, bevor er zurückzufallen drohte, mit dem rechten Mittelfinger die Fahnenstange. Erwischte und umkrallte sie. (Kurzes, überschnappendes Muhen.) Setzte den linken, baren Echsenfuß Schuhgröße einundfünfzig neben die linke Stützhand. (Bellen.) Dann, mit einem hormontrunkenen Grunzen zwischen aaa und äää  – Ausdruck von Etappenbefriedigung und Siegesgewißheit –, hievte er sich mit der Rechten in die Lotrechte. Sein Bizeps war mit der Struktur eines American Football tätowiert (einschließlich Naht, Logo und Herstellername Wilson ), und weil er sich bei dieser Zugbewegung zu fünfneunzig Prozent definierte, schien er fast zu platzen. Kabeldick trat eine Ader aus dem ›Leder‹.
    Erst in dem Moment beginnt die neunzehnsekündige Phase fünf, die ›Busenphase‹: dem Moment, in dem Dagmar – die Kamera an der Brust bergend – und Ellen von der Bank aufsprangen und zurückwichen. Bis dahin waren sie hypnotisiert gewesen. Hypnotisiert wie Mäuse vom Totenkopf auf dem Kobra-Nacken.
    »Es war furchtbar«, sagte Dagmar später, als sie mir das Mandat zur Nebenklage erteilte, immer wieder. Fuch’chtba .
    »Der sah furchtbar aus«,
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