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Feuersbrut - Der Untergang

Feuersbrut - Der Untergang

Titel: Feuersbrut - Der Untergang
Autoren: Nadine Kühnemann
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Eins
    Das Königreich Gûraz, 300 Jahre nach Anbeginn der Zeit
     
    »Hoffnungslos.« Yerems Tonfall verlieh der Bedeutung des Wortes noch mehr Tiefe.
    Yanil strich sich eine dunkle Strähne von der verschwitzen Stirn. Gerne hätte er dem Drängen seiner schmerzenden Füße nachgegeben und sich an Ort und Stelle auf den Waldboden fallen lassen, aber seine Ehre als Anführer gebot es, Haltung zu bewahren.
    »Hoffnung gibt es immer«, sagte er, aber es klang in seinen eigenen Ohren nicht halb so überzeugend wie beabsichtigt. Wozu Zuversicht vorspielen, wenn sie sich ohnehin am Rande der Verzweiflung befanden? Er stützte seine Hände auf die Knie und beugte sich nach vorne, sodass seine Haare ihm wie ein Vorhang ins Gesicht fielen. Er war sich darüber bewusst, dass er als Befehlshaber mit gutem Beispiel hätte vorangehen müssen, aber sein Rücken schmerzte und er sah kaum noch einen Grund, die lächerlichen Grundsätze aufrechtzuerhalten. Nicht im Angesicht des Todes.
    Seit Wochen durchquerten sie nun schon das Land, waren aus ihrer Heimatstadt Zakuma im Süden aufgebrochen, um dem Ruf ihres Königs nach Norden zu folgen. In Zakuma hatte man dank der Botenvögel von der nahenden Bedrohung gehört, die sich wie eine Flutwelle nach Norden wälzte, zur Königsburg. Ein bis dahin unbekanntes Volk, das vor einigen Jahrzehnten aus den südlichen Gesteinswüsten kommend über Gûraz hereingebrochen war wie ein Schwarm Heuschrecken, maßte sich nun an, den Thron für sich zu erobern. Der König hatte daraufhin alle fähigen Krieger nach Fjondryk gerufen, der heimatlichen Provinz seiner Majestät, um die Burg um jeden Preis zu halten. Yanil hatte es für übertrieben gehalten, doch seine Meinung hatte sich innerhalb weniger Wochen geändert. Die Khaleri, wie sich jenes hochgewachsene, grünäugige Volk nannte, waren zahlreicher als vermutet. Yanil hatte zwischenzeitlich ernsthaft bezweifelt, Fjondryk je lebend zu erreichen. Jetzt hatten zumindest vier von ihnen, Yanil eingerechnet, den größten Teil der Reise unbeschadet überstanden. Unbeschadet, wenn man ihre Erschöpfung und die Verzweiflung nicht mitrechnete. Bis in die Provinz Azkatar waren sie nun schon gelangt, in die dichten nördlichen Wälder, die ihnen einstweilen Schutz gewährten. Sein Volk fühlte sich seit jeher in den Wäldern heimisch, und er sehnte sich zurück nach Zakuma, der Stadt in den Bäumen.
    Yanil erwartete, den restlichen Weg bis zum Gebirge, das die Grenze zu Fjondryk kennzeichnete, weitgehend komplikationslos hinter sich zu bringen. Zumindest glaubte er das, sicher sein konnte er sich nicht mehr. Die Khaleri schienen überall zu sein, lauerten hinter jedem Stein, hinter jedem Stamm. Selbst die Wälder, die das seltsame Volk bislang gemieden hatte, waren vor ihnen nicht mehr sicher. Der König hatte Yanil und seine Männer auf eine Selbstmordmission geschickt. Großartig!
    Ihn beschlich das Gefühl, dass die Khaleri bereits den Pfad durch das Gebirge besetzen könnten, der sicherste Weg in die Königsprovinz Fjondryk. Nie hatte er es für möglich gehalten, dass sie innerhalb so kurzer Zeit derart zahlreich werden konnten, und er hielt es nicht für unmöglich, dass göttliche Magie dahintersteckte. Es ging das Gerücht, die Khaleri kämpften sogar an der Seite einer dämonischen Kreatur, einem brennenden Riesen, der ihnen unvorstellbare Macht verlieh.
    In der Ferne grollte Donner. Es war Frühling, die Temperaturen angenehm für eine Reise, aber das Wetter zeigte sich nun schon seit Tagen von seiner unfreundlichen Seite. Dicke graue Wolken erstreckten sich über ihnen, tauchten die Umgebung in gleichförmiges Zwielicht, sodass sich die Tageszeit kaum bestimmen ließ.
    »Wir hätten in Zakuma bleiben sollen,« meldete Orys sich zu Wort und riss Yanil aus seinen Gedanken. Er war ein ruhiger Geselle, einer derjenigen seines Volkes, dem keine Magie innewohnte. Jedoch war er geschickt im Umgang mit Pfeil und Bogen, mit dem Armkatapult und dem Speer, den Waffen der Mazari.
    »Die Khaleri meiden die südlichen Wälder, Zakuma ist uneinnehmbar«, fuhr Orys fort. »Dort wären wir sicherer gewesen. Wir hätten behaupten können, der Botenvogel sei überhaupt nicht angekommen.«
    Ehe Yanil den Mund öffnen konnte, um den Krieger für die unverfrorene Aussprache seiner destruktiven und verräterischen Gedanken zurechtzuweisen, riss Ilav, ein hagerer Mann mit tief liegenden Augen, das Wort an sich. Er lehnte mit der Schulter gegen den Stamm einer knorrigen
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