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Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Titel: Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)
Autoren: Frank Schulz
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worden war – von einem schwammigen, besoffenen Zwergalbino. Bis heute erschien er in seinen Träumen. Das Motiv vermochte man nur von relativ nahem zu identifizieren: ein männchenmachender Pudel. Farbton: auf der Skala zwischen Schweinsohrstempel und Bluterguß.
    Bis an den Tisch jonglierte er den Ball. »Los!« blaffte, nicht locker lassend, der schöne Raimund. »Null zwo! Letzter Satz!«
    »Was?«
    »Letzter Sahatz!!«
    Neckisch. Ulli müßte natürlich auch den kommenden Satz erst mal gewinnen, damit feststünde, daß es der letzte gewesen war. (Sonst hieße es zwo eins. Mit der Gefahr des zwo zwo und, tja, eben auch zwo drei.)
    Und so drehte er sich einmal zur Bank, unser alter Sportsfreund Onno ›Noppe‹ Viets, machte »Öff, öff!« und grinste sein gutmütiges, gütiges, ja gutes Grinsen, das er seit jeher zu grinsen pflegte – unverbrüchlich; auch und gerade, wenn weißgott wieder einmal etwas dahinschwand, das wenigstens halbwegs begrinsenswert gewesen wäre.
    [2]
    Ungefähr Viertel vor neun. Après-Pingpong im Tre tigli .
    Kaum daß wir unseren Stammtisch mit Beschlag belegt hatten, präsentierte Onno uns sein Husarenstück. »So, Sportsfreunde. Achtung, Achtung. Ich glaub’, ich werd’ Privatdetektiv. Öff, öff.«
    Hatte sich was mit öff, öff. War bitterer Ernst. Und besonders bedenklich, daß sein Gespür für Timing versagte.
    Normalerweise garantierten unsere entschlackten Leiber für diese Phase des Montagabends eine Stimmungslage, die Raimund einmal mit »besenrein« umschrieben hatte. Solide geistige Dumpf- sowie Maulfaulheit. Was dringend zu sagen war, hatten wir an der Platte gesagt – Kabaanaaa!  –, und bis das erste Bier auf dem Tisch stünde, waren nichts als Seufzer der Zufriedenheit gelitten. Allenfalls noch ein, zwei selbstironische Grunzer der Überforderung durch den Fußmarsch.
    Immerhin dauerte er drei Minuten; zwo Minuten zuviel, nach einer zwostündigen Beanspruchung von summa summarum zwohundert Jahre alten Knochen. Auch wenn es ein Weg war, der uns bestärkte in unserer Alters-Schwäche für heimelige Bürgerlichkeit bzw. bürgerliche Heimeligkeit. Im harschen Laub, das unter den Koniferen und winterharten Stauden entlang dem Schulgebäude weste, scharrten Amseln wie die Hühner auf dem Lande. Gegenüber wedelten Eichen mit ihren knotigen, gerupften Flederwischen über den Firsten der vierstöckigen Jugendstilhäuser. Mit dem aufgesogenen Restlicht des Tages leuchteten deren Fassaden in der Dämmerung, während die Falten der Portikusornamente und Pflanzenkapitelle sich bereits verschatteten. Roßkastanien und Birken, denen man seit Tagen beim Ergrünen förmlich zuschauen konnte, kitzelten mit ihrem Junglaub die schwarzen Gerippe noch splitternackter Kirschespen. Zu beiden Seiten der kopfsteingepflasterten Einbahnstraße bissen die Schnauzen von Panda und Jaguar schräg in die steilen Kantsteine der Trottoirs, diese wie jene mit Samenspreu von Besenahornen bestreut.
    Genau gegenüber der Einmündung in die Heino-Jaeger-Straße steckte, gemütlich im Souterrain zwischen zwei Hochparterre-Treppen der benachbarten Bürgerhäuser, das Tre tigli. Am heutigen 19.   April hätte man bereits – lauschig beleuchtet von schmiedeeisernen Laternen – unter den Laubschirmen jener Linden sitzen können, die dem Lokal den Namen verliehen. (Übrigens gab es nur zwei Exemplare; da Platz für ein drittes kaum je vorhanden gewesen sein dürfte, verdankte sich die Aufrundung mutmaßlich poetischen Erwägungen.) Aus mangelnder Geschäftigkeit war das Gartenmobiliar jedoch noch eingekellert, und die Bodenplatten klebten vom Knospensaft. (Wie der Schwarze Engel Monate später, eine in diesem Jahr erstmals aufgetretene Abnormität, die den Biologen Rätsel aufgab.) Wir stiegen die drei Stufen hinab und traten ein.
    Der Kommandostand der Theke verwaist, und die paar Tischchen wie meist übersichtlich besetzt. Wie üblich dominierte ein Aroma, als sei am Vorabend ein Barriquefaß geplatzt. Eng und verqualmt der hiesige Gastraum, der Raucherraum; der Nichtraucher im Hinterzimmer geräumiger. Doch wer ging schon ins Hinterzimmer, wo Carina nur auf Abruf auftauchte?
    »Wo ist sie?« rüffelte Raimund einen anonymen Gott der Gewohnheit, während wir unsere Sporttaschen mit den schweißschweren Trikots und nassen Handtüchern in einer reservierten Ecke unterm Tresen stapelten.
    Es antwortete aber Schnorf. »Hinten.« Und fügte dieses Katarrhgeräusch hinzu, auf das Raimund ihn getauft
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