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Onkel Wolfram - Erinnerungen

Onkel Wolfram - Erinnerungen

Titel: Onkel Wolfram - Erinnerungen
Autoren: Oliver Sacks
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gepackt und beutelten mich mit unstillbaren Sehnsüchten. In der Schule hatte ich den wenig fordernden humanistischen «Zweig» verlassen und den anspruchsvollen naturwissenschaftlichen Zweig gewählt. Doch in gewisser Weise war ich von meinen beiden Onkeln und der Freiheit und Spontanität meiner Lehrzeit verwöhnt worden. In der Schule musste ich nun in Kursen sitzen, mich um Zensuren und Prüfungen bemühen, aus Lehrbüchern lernen, die oberflächlich, unpersönlich und unerträglich langweilig waren. Was Freude und Vergnügen bereitet hatte, solange ich es auf meine Weise betreiben durfte, wurde lästig und qualvoll, als ich mich dabei an vorgegebene Regeln halten musste. Ein Gegenstand, der für mich heilig und voller Poesie gewesen war, wurde nun prosaisch und profan.
    War es also das Ende der Chemie? Oder war ich an die Grenzen meiner geistigen Fähigkeiten gestoßen? Die Entwicklungsjahre? Die Schule? War es das unausweichliche Schicksal, der naturgeschichtliche Verlauf einer jeden menschlichen Begeisterung, dass sie zunächst mit heller, heiliger Flamme brannte, wie ein Stern, um sich dann zu erschöpfen, zu verglühen, zu verlöschen? Hatte ich, zumindest in der materiellen Welt und den Naturwissenschaften, am Ende die Beständigkeit und Ordnung erfahren, nach der ich mich so verzweifelt sehnte, sodass ich mich nun, befreit und weniger zwanghaft, anderen Dingen zuwenden konnte? Oder wurde ich einfach nur erwachsen und bedeutete «Erwachsenwerden», dass man die poetischen, mystischen Wahrnehmungen der Kindheit verlor, den Glanz und die Frische vergaß, von denen Wordsworth schrieb, sodass sie im Licht des Alltags verblassten?
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