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On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

Titel: On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)
Autoren: Tilman Birr
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Ich bin dazu nicht verpflichtet.«
    Für den Fall, dass ich mich nicht mit ihren Euphemismen zufriedengab, hatte sie sich offenbar nichts zurechtgelegt. Ich konnte nur herumstammeln:
    »Anna, du kannst mir doch nicht so einfach … Ich hab dir doch nichts …«
    Anna fiel mir ins Wort:
    »Weißte, du musst auch mal einsehen: Ich bin nicht deine beste Freundin, ich bin deine Mitbewohnerin. Ich frage mich, wo du da die Grenze ziehst.«
    Das war ein Tiefschlag.
    »Was? Aber wieso … Darf man nicht befreundet sein, wenn man zusammenwohnt, oder wie?«
    Sie sah mich hart an:
    »Befreundet? Das kannst du doch nicht ernsthaft geglaubt haben! Wir haben doch nur zusammengewohnt.«
    Es war, als hätte mir ein Braunbär mit einer Dachlatte auf den Kopf geschlagen und mir gleichzeitig »Arschloch!« ins Gesicht gebrüllt.
    »Aber … was …? Ich … äh …«
    »Nix äh! Ich will dir hier nichts erklären müssen. Ich ziehe aus, Schluss! Wenn du was anderes geglaubt hast, ist das nicht mein Problem.«
    Sie hätte mich gefesselt und mit heruntergelassenen Hosen an die Weltzeituhr auf dem Alexanderplatz ketten können und wäre damit nicht in die Nähe der Demütigung gekommen, die sie mir jetzt verpasst hatte. Sie verzog sich in ihr Zimmer und schmiss die Tür zu.
    Sudden Death. Plötzlicher Ausfall einer Mitbewohnerin mit unerklärlicher Ursache. Es passierte mir nicht zum ersten Mal. WG s sind so, Menschen sind seltsam, weiß der Geier. Dass es mir aber mit Anna passierte, darauf war ich nicht vorbereitet. Am nächsten Tag lag die Kündigung ihres Untermietvertrages auf meiner Türschwelle: »Sehr geehrter Herr … Mit freundlichen Grüßen …«
    Es kam alles zusammen. Kein alter Job, kein neuer Job, keine Mitbewohnerin, dazu eine verlorene Freundschaft wegen nichts. Ich musste mich aufs Rad setzen und sechs Kilometer an der Spree entlangrasen, bis es besser ging.
    Vielleicht hatte ich doch einen Hang dazu, mir alles etwas zu einfach vorzustellen. Meine Damen und Herren, wenn Sie hier in diese Friedrichshainer Zweizimmerwohnung schauen, sehen Sie einen armen Naivling.

Einen Mitarbeiter suchen
    |:pada-bada pam-pam-pam:|
    |:pida-pada pim-pam-pim:|
    Johann Sebastian Bach
    Tata-UFF, tata-UFF, tata-UFF-tatatata-UFF!
    »Ja?«
    »Hallo, bin ich da bei Herrn Tilman?«
    »Na, wen haben Sie denn angerufen?«
    »Guten Tag, mein Name ist Frank Kuttenkeuler, ich …«
    »Kuttenkeuler? Kenn ich nicht.«
    Klick.
    Tata-UFF, tata-UFF, tata-UFF-tatatata-UFF!
    »Ja?«
    »Ja, Kuttenkeuler nochmal. Wir sind wohl gerade unterbrochen worden.«
    »Nee, sind wir nicht. Ich hab aufgelegt.«
    »Passts Ihnen gerade nicht, oder …«
    »Ich mach bei keiner Umfrage mit, und ich will auch keine Weinprobe machen, bei der sich der Weinhändler dann als Versicherungsvertreter herausstellt.«
    »Jetzt warten Sie es doch erst mal ab. Es geht um ein Geschäft.«
    »Ich werde kein Auto über die Grenze nach Polen bringen, und ich habe keine 10 000 Euro, mit denen ich Ihren armen, armen nigerianischen Cousin auslösen könnte, der seine Erbschaft von zwei Millionen Dollar wegen politischer Verfolgung nicht annehmen kann.«
    »Also, weniger um ein Geschäft, mehr um Ihren Job.«
    »Sie können mich nicht feuern. Die Stelle wird in der nächsten Saison gestrichen.«
    »Ich habe Ihre Nummer von Herrn Dietrich. Der hat mir erzählt, dass Sie Ansager auf so einem Ausflugsschiff waren, und …«
    »Das heißt nicht Ansager, das heißt …«
    »Bitte?«
    »Ach, ist ja egal.«
    »Der Herr Dietrich hat uns erzählt, Sie würden einen neuen Job suchen. Was haben Sie sich denn da vorgestellt?«
    »Ich hab mir vorgestellt: Ich arbeite, und der Chef zahlt.«
    »Und woran haben Sie da gedacht?«
    »Was habe ich denn gerade gesagt?«
    »Also, es ist so: Wir sind eine private Stiftung für Studienförderung und akademischen Austausch. Wir fördern ausländische Studenten, die an unseren Winterseminaren hier in Bad Fallingbostel teilnehmen, und damit die nicht nur Niedersachsen sehen müssen, organisieren wir für die auch immer noch Wochenendausflüge nach Berlin. Wir haben aber niemanden mehr, der das in die Hand nehmen würde. Früher hab ich das noch selbst gemacht, aber vor ein paar Jahren haben wir das outgesourct an Profis. Bisher hat das immer Ihr Kollege Martin Brockhausen gemacht, aber der ist uns leider aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig abgesprungen.«
    »Martin? Äh ja, der … der ist abgeprungen. Wie geht es ihm denn?«
    »Das weiß ich nicht. Ich weiß nur,
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