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Omka: Roman (German Edition)

Omka: Roman (German Edition)

Titel: Omka: Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Aschenwald
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Procedere?«, fragte er.
    »Applikation von Antidepressiva und Analgetika bei Bedarf, ansonsten Gesprächstherapie«, sagte der Arzt bedeutungsvoll.
    »Hat sie Schmerzen?«, fragte ein Student.
    »Nun ja«, sagte der Oberarzt, »die Patientin klagt über Schmerzen in den Beinen, die aber auf keine organischen Ursachen zurückzuführen sind. Wobei kann es sich hierbei handeln?«, fragte er.
    Ein weiterer Student im weißen Mantel hob die Hand. »Somatoforme Dissoziation«, sagte er »meistens nach Traumatisierungen verschiedener Art. Opfer von Vergewaltigungen klagen über anhaltende Schmerzen in den Geschlechtsorganen, die keine physische Entsprechung haben. Das traumatische Geschehen wird somit auf körperlicher Ebene verarbeitet.«
    »Was haben wir hier?«, frage der Oberarzt.
    »Schwimmunfall«, sagte einer.
    »Da haben Sie’s, meine Herren«, sagte der Oberarzt. »Die Dame hatte einen traumatischen Schwimmunfall, das Geschehen wird verdrängt, dafür hat sie Phantomschmerzen in beiden unteren Extremitäten, die natürlich davon kommen, dass sie versucht hat, sich über Wasser zu halten. Sie müssen immer versuchen, klar zu denken und eine wissenschaftliche Erklärung für das Geschehen zu finden, denn sonst haben wir auch keine Handhabe für die Behandlung.«
    »Und wenn sich keine Besserung der Amnesie einstellt?«, fragte ein anderer. »Unwahrscheinlich«, sagte der Arzt, »in den meisten Fällen kommt das Gedächtnis wieder.«
    »Entschuldigen Sie …«, sagte Omka und sah den Arzt fragend an. Der winkte einen Studenten zu sich und gab ihm das Krankenblatt, und der Rest der Visite ging weiter. Der Student war ein junger, dicker Mann mit Brille, seine Fingernägel waren abgekaut, und er machte einen klugen Eindruck.
    »Frau …«, sagte der Student, räusperte sich und sah in das Krankenblatt, wo nur der Vorname stand, und begann noch einmal sehr umständlich: »Verehrte Dame, Sie leiden unter einer temporären Amnesie, das heißt, Sie haben Ihr Gedächtnis verloren. Das bemerken Sie daran, dass Sie nicht wissen, wie Sie mit vollem Namen heißen, ob Sie eine Familie haben oder wo Sie wohnen, um nur einige Punkte zu nennen. Das Gedächtnis kommt in den meisten Fällen wieder.«
    »Das heißt, es ist nicht schlimm«, sagte Omka.
    »Nun ja«, sagte der Student »das mangelnde Krankheitsbewusstsein und der fehlende Leidensdruck sind auch Symptome der Amnesie. Und es bedeutet auch, dass Sie, solange Sie sich an nichts erinnern können, ein Sozialfall sind, das heißt angewiesen auf Unterstützung. Aber in unserem medizinischen System wird im Zweifelsfall jeder behandelt.«
    Omka verstand kein Wort. »Ich fühle mich gut«, sagte sie. »Kann ich nicht gehen?«
    »Wohin denn?«, fragte der Student.
    Sie sprachen noch länger miteinander.
     
    »Wo ist die Frau hin, die hier war?«, fragte Josef, »ist sie entlassen worden?« Die Ärztin sah kurz in ihre Akte.
    »Sind Sie ein Angehöriger?«, fragte sie dann.
    »Nein.«
    »Dann darf ich Ihnen, so leid es mir tut, keine Auskunft geben.«
    Er ging ins Café. Die Kassiererin erkannte ihn nicht wieder.
    »Einen Schnaps, bitte«, sagte er. Sie schenkte das kleine Glas voll, und er sagte: »Die Nixe ist weg, was?«
    »Ach woher! Psychiatrie. Was glauben Sie denn? Jemand, der glaubt, er sei eine Nixe, wo ist der wohl?«
     
    Die Kassiererin hatte gesagt, dass Omka von sich selber denke, eine Nixe zu sein, was gar nicht stimmte. Der junge Sanitäter, der im Krankenwagen mitgefahren war, hatte irgendjemanden von den roten Striemen an Omkas Beinen erzählt, die man auf ganz einfache Weise erklären konnte. Vielleicht waren Äste eines umgestürzten Baumes im Wasser gelegen und Omka hatte sich an ihnen verletzt, als sie versucht hatte, sich über Wasser zu halten. Dieser Irgendjemand hatte sich in der Cafeteria einen Kaffee mit Sahne geholt und der Kassiererin erzählt, es sei neuerdings eine hysterische Frau in der Klinik, die man nun auf die Psychiatrie verlegt hatte, weil sie über Messerschmerzen an den Beinen jammere, ständig wie ein Fisch nach Luft schnappe und bettelte, dass man sie zurück in den See werfen solle. Später wird eine Krankenschwester erzählen, sie hätte sogar Schwimmhäute zwischen ihren Zehen ausgemacht, und eine andere, dass sie nur rohen Fisch essen würde. Es war alles nicht wahr, aber es hatte sich eben in den Köpfen festgesetzt.
     
    Josef ging ins psychiatrische Krankenhaus und fand Omka dort auch. Sie hatte die Rückenlehne des Bettes
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