Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Omka: Roman (German Edition)

Omka: Roman (German Edition)

Titel: Omka: Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Aschenwald
Vom Netzwerk:
schon gut, es wäre ja nur, damit sie inzwischen etwas hätte. Insgeheim freute er sich, dass sie bei ihm wohnte. Sie würde um ihn sein und er wäre nicht mehr alleine, auch wenn sie ansonsten nichts miteinander zu tun hätten.
    Omka war froh, aus dem Krankenhaus herauszukommen. Seit dem Gespräch mit dem Studenten hatte sie das Gefühl eines Mangels an ihr.
     
    In der ersten Nacht war der Himmel erst rosa und dann grau, und als es dunkel wurde, ging er ins Schlafzimmer und legte sich hin und konnte nicht einschlafen, weil er wusste, dass sie nebenan auf dem Gästebett schlief. In der Nacht wachte er einmal auf, als er hörte, wie sie aufstand und sich wusch. Er wachte davon noch dreimal in der Nacht auf.
    Sie dachte ständig daran, zu ihm ins Bett zu kommen und dort bei ihm zu schlafen, wagte es aber nicht. Sie stellte sich vor, wie er sie umarmte, und drückte das Kopfkissen an sich.
     
    Morgens stand sie auf und sah sich das Haus an. Sie begann aufzuräumen und kochte Kaffee. Als er aufgestanden war, war es sauber. Sie war in der Küche und mühte sich mit den modernen Geräten ab. Die Platte musste man direkt mit dem Finger drücken, um einzuschalten, obwohl allen Kindern beigebracht wird, dass sie nicht dorthinlangen dürfen. Wenn Omka zu schnell gedrückt hatte, erschienen rote, digitale Zahlen, die wütend blinkten, und es hatte eine Weile gedauert, bis sie begriffen hatte, dass der Kaffee in der italienischen Espressomaschine heiß wurde, obwohl die Platte kalt war, wenn man drauffasste, was sie sich auch erst nach einigen Versuchen getraut hatte.
     
    Er war verlegen und sagte: »Omka … Guten Morgen … ich meine … du musst nicht.«
    »Ach, das macht doch nichts«, sagte sie fröhlich »wenn ich schon hier wohne, kann ich auch … es macht mir nichts aus, wirklich nicht.« Und schaute zu Boden. Das Krankenhaus fiel ihm wieder ein und die Kassiererin.
    »Weißt du eigentlich, dass die in der Cafeteria gesagt haben, du seist eine Nixe?«
    Sie lachte. »So ein Blödsinn«, sagte sie.
     
    So verging einige Zeit. Er konnte immer noch auf leichte Weise mit ihr sprechen, aber das frische Gefühl, der blaue Raum war weg. Das ärgerte ihn, denn er war überzeugt, im Krankenhaus hatte man ihr Angst gemacht und ihr etwas genommen, was sie jetzt verändert erscheinen ließ. Man hatte vermutlich zu ihr gesagt, dass sie kein Konto hätte, keine Versicherung, kein Geld, dass die Krankenhauskosten irgendwie erstattet werden mussten und dass man nicht wusste, wohin mit ihr, wenn sie entlassen würde und man bis dahin keine Angehörigen gefunden hätte.
    »Irgendwie schaffen sie es schon, jeden zu überzeugen, dass er ohne Konto und Telefonnummer eigentlich gar kein Mensch ist«, dachte er ärgerlich.
    Sie war zwar noch neugierig und lachte viel, aber das Lachen kam ihm nun irgendwie übertrieben vor, und er wunderte sich, dass sie nie weinte.
     
    An einem Sonntagnachmittag gingen sie spazieren, den Fluss entlang. Sie fütterten die Möwen, und eine kam nahe an Omka heran. Sie pickte Omka in die Hand, als sie sie mit Brotkrümeln fütterte, und deren Miene verfinsterte sich. Sie bückte sich schnell und packte die Möwe, die schrie. Er sah, wie die kurzen Federn am Hals des Tieres zwischen ihren Fingern herauslugten, wie der Vogel die Augen weit aufriss und den Schnabel lautlos öffnete, und hörte ein Geräusch, das klang wie das leise Knirschen zerdrückten Strohs. Sie lachte, als sie der Möwe den Hals umdrehte. Deren Augen erloschen, und der Körper entspannte sich. Omka ließ das Tier fallen. Er schaute sie entsetzt an.
    »Du hast doch gesehen, was sie gemacht hat!«, sagte sie erregt. »Sie hat mich in die Hand gepickt! Das hat wehgetan!«
    »Aber es ist doch ein Lebewesen. Ich meine … wenn man alles umbringt, das einen ärgert, wäre man bald alleine auf der Welt«, sagte er und lachte verlegen. Sie merkte, dass ihm der Vogel wirklich leidtat und dass er es grausam fand, was sie getan hatte. Panik ergriff sie, und irgendwo aus ihrem Inneren kamen die Worte: »Ich bin … es tut mir leid, das wollte ich eigentlich gar nicht. Aber weißt du, es ist … ich weiß selber nicht, was es ist. Ständig träume ich vom Ertrinken. Ich wache in der Nacht oft auf und will mir die Hände waschen. Und als ich diese Möwe gesehen habe, diesen Wasservogel, hat mich das erinnert an den Traum, den ich hatte. Ich war im Wasser und trieb auf dem Rücken dahin, über mir kreiste eine Seemöwe im grauen Himmel, und das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher