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Omka: Roman (German Edition)

Omka: Roman (German Edition)

Titel: Omka: Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Aschenwald
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hochgestellt, saß also fast aufrecht in ihrem Bett und starrte in den Fernsehapparat.
    »Omka«, sagte er und trat auf sie zu, »erinnerst du dich an mich?«
    Sie sah ihn an und lächelte. »Ja«, sagte sie.
    »Wieso bist du denn hier?«
    Ihr Blick bekam einen verwunderten Ausdruck, sie schien etwas verloren zu haben, aber er konnte nicht sagen, was es war.
    »Ich kann mich an nichts erinnern«, sagte sie. »Ich weiß nicht, wo ich wohne, was mein Beruf ist, ob ich Kinder habe, meinen Nachnamen habe ich auch vergessen. Sie haben gesagt, das käme von einem Trauma, weil ich fast ertrunken bin.«
    »Aber das hast du doch vorher auch gewusst«, sagte er und dann schnell, »es tut mir leid.« Dann wusste er nicht mehr, was er sagen sollte. »Ich wollte …«, sagte er. »Ich … und was geschieht jetzt?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie, »wahrscheinlich muss ich hierbleiben, bis sie wissen, wer ich bin.«
    Sie sah traurig aus. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass er nachdachte.
    »Wie fühlst du dich sonst?«, fragte er, weil er nichts anderes zu fragen wusste. »Ich … ich weiß es nicht. Ich fühle gar nichts mehr. Ich muss dauernd daran denken, was jetzt passiert.«
    »Wie meinst du das«, fragte er.
    »Ich weiß es nicht. Es ist nur irgendwie … komisch«, sagte sie und stand aus dem Bett auf, um sich die Hände zu waschen.
    Er fragte sich, was wohl geschehen war, und sah sie an. Ihre weizenfarbenen Haare waren gewaschen und hingen gerade herunter bis zu ihrer Hüfte. Ihre Augen waren dunkel und wirkten gleichgültig. Ihr Gesicht war bleich, und an ihrem Hals war ein großes Muttermal, das ihn irgendwie rührte.
    »Schön«, dachte er. Aber er sagte nichts.
    »Wie heißt du eigentlich mit Nachnamen?«, fragte sie ihn.
    »Grentshäuser«, sagte er.
    Etwas an ihr war anders als vorher. Als hätte jemand einen grauen Schleier über sie geworfen.
    Und ärgerte sich, dass man offenbar ihre Leichtigkeit ruiniert hatte.
     
    Die Wände im Stationsarztzimmer waren in einem schmutzigen Türkisgrün gestrichen, und an der Wand hing ein gemaltes Bild von einem Müllcontainer, daneben stand: »Wir ent – Sorgen.«
    Er dachte, sie gehöre nicht an diesen hässlichen Ort.
     
    Als er das nächste Mal kam, brachte er ihr Schokoladenmuscheln mit. Sie freute sich, als sie ihn sah. Er gab ihr die Schachtel und sagte verlegen: »Du bist also immer noch hier? Gibt es nichts Neues?«
    »Nein«, sagte sie. »Man hat offenbar noch niemanden gefunden, zu dem ich gehöre.«
    Sie setzten sich an den kleinen Tisch im Zimmer, am Fußende ihres Krankenbettes stand nur ihr Vorname. Durch das Fenster kam ein dünner Lichtstrahl und zeigte auf Josefs Brust, genau dorthin, wo unter dem Hemd die Narbe von seiner Operation war. Omka sah das Leuchten auf seiner Brust und fragte dann: »Wieso warst du eigentlich hier?«
    »Ach«, sagte er, »ich habe etwas, von dem ich den medizinischen Namen vergessen habe, aber irgendwie hängt es mit dem Blut zusammen, das nicht genug Sauerstoff aufnimmt. Deshalb wurde mir oft schwindelig, und als ich einmal ohnmächtig wurde, bekam ich die Diagnose, und man meinte, das müsse schnell operiert werden, weil es sich sonst verschlimmern würde.«
    Omka sah ihn an. Er trug ein elegantes Hemd, aber die Krawatte war hässlich. Sein Gesicht war rund und seine Haare dunkel, die Augen ausdrucksvoll und tief, mit dichten Brauen. An seinen Wangen waren einige kleine Schnitte von der Rasierklinge. Die Lederschuhe waren frisch geputzt.
    Sie fragte: »Kannst du eigentlich schwimmen?«
    Und er sah sie erstaunt an.
     
    »Dass es immer die Guten erwischt«, dachte er sich. »Kaum ist etwas Unschuldiges auf der Welt mit einem neuen, frischen Blick, macht man es kaputt. Das ist unerträglich! Falsch! Gemein!«, dachte er sich.
    Er hätte sie gerne an sich gedrückt und geküsst.
     
    Als sie zu ihm ins Haus zog, hatte sie nur eine kleine Tasche mit. Er hatte sie ihr gebracht. Man hatte ihr gesagt, sie könne die Krankenhauskleidung behalten, und sie aber erst gehen lassen, als sie sagte, sie könne sich an Josef erinnern, er sei ein Freund von ihr. Er musste seinen Namen und seine Adresse angeben und eine Unterschrift leisten. Vorher waren Polizisten da gewesen, hatten ein Foto von ihr gemacht und gemeint, es käme in die Zeitung und man versuche, auf diesem Wege ihre Angehörigen zu finden.
    Sie hatte sich überschwänglich bei ihm bedankt und ihm die Hände geküsst. Er war verlegen geworden und hatte gemurmelt, es wäre
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