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Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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Tugdual und dann Gus an.
    »Du willst deinem Grufti-Freund positive Gedanken einflüstern und ihn zur Vernunft bringen«, beantwortete Gus seine eigene Frage.
    »Ich weiß nicht, ob es klappt, aber es ist einen Versuch wert«, sagte Oksa mit erstickter Stimme.
    Sie wandte sich von Gus ab und beugte sich über Tugdual.
    »Tugdual?«, sagte eine zittrige Stimme.
    Das Mädchen hatte sich erschrocken im Bett aufgesetzt.
    »Was macht ihr da? Wer seid ihr?«
    Ihre Stimme war schon lauter geworden, bestimmt würde sie gleich schreien. Gus sprang zu ihr hin, drückte sie aufs Bett zurück und hielt ihr mit einer Hand den Mund zu. Den Zeigefinger der anderen Hand legte er an seine Lippen und bedeutete ihr, zu schweigen. Doch das Mädchen schlug vor Angst wild um sich und versuchte, ihm das Gesicht zu zerkratzen. Schließlich musste er sich rittlings auf sie setzen, damit sie stillhielt.
    »Wir wollen dir nicht wehtun«, sagte Gus leise. »Weder ihm noch dir.«
    Endlich hörte sie auf, sich zu wehren. Erst recht, als sie sah, was Oksa da für merkwürdige Sachen anstellte.
    Die Junge Huldvolle vergaß alles um sich herum und verließ sich ganz auf ihre Intuition, um diese für sie noch neue Art von Magie auszuüben. Sie konzentrierte sich, und schließlich kamen blaue Rauchkringel aus ihrem Mund, schwebten zu Tugdual und drangen in sein rechtes Ohr.
    Aber genügte das? Wie sollte sie es anstellen, dem Rauch die Worte mit auf den Weg zu geben, die er irgendwo in einem Winkel seines Bewusstseins hören sollte?
    Was hätte Dragomira ihr jetzt gesagt? Was würde Abakum ihr raten? Ihre Energie zu kanalisieren? Oder ihre Gedanken auf das Ziel zu lenken?
    Deine Schritte führen dich an den Ort, den sich dein Wille zum Ziel gesetzt hat.
    Die Methode war so einfach. Und die Umsetzung so schwer …
    Der blaue Rauch kam nicht zu Tugduals anderem Ohr wieder heraus, wie damals, als ihre Großmutter das Gedächtnis-Radier-Granuk eingesetzt und die Erinnerung der beiden Polizisten »abgewandelt« hatte. Dieser Gedanke rief ihre eigenen Erinnerungen wach.
    Das erste Gespräch, das sie zusammen mit Tugdual auf dem Friedhof hinter Leomidos Anwesen geführt hatte.
    Wie sie gelacht hatten, als sie Abakums Geschöpfe beim Tischfußball zugesehen hatten.
    Ihr Zusammenhalt und ihre Stärke bei der Eingemäldung.
    Das Wiedersehen in Grünmantel.
    Die liebevollen Blicke von Till, der so stolz war auf seinen großen Bruder.
    Naftali und Brune, die streng, aber gerecht waren und liebten, ohne zu verurteilen.
    Der Plemplem mit seiner unfehlbaren Kenntnis der menschlichen Natur.
    »Im Besitz des Enkels der Freunde Knut ist ein düsteres Herz, das aber gespickt ist mit Reinheit«, hatte er immer wieder versichert.
    Worte.
    Musik.
    Let me show you the world in my eyes.
    »Erinnere dich, Tugdual«, flüsterte Oksa, während blaue Rauchkringel aus ihrem Mund kamen. »Erinnere dich daran, was du mir einmal gesagt hast: ›Sich von etwas beherrschen zu lassen, bedeutet, geradewegs in sein eigenes Unheil zu rennen. Wenn man aber das, was einen zu dominieren droht, kontrollieren kann, dann ist man stärker als alle anderen.‹ Du bist stark, Tugdual. Das bist du schon immer gewesen, und du musst es auch weiterhin sein.«
    Ein zartes Rauchwölkchen kam aus Tugduals anderer Ohrmuschel. Das Gedankenflüstern funktionierte. Es bahnte sich seinen Weg zu Tugduals Bewusstsein und erfüllte es mit Oksas Stimme und ihren Worten.
    Würde er stark genug sein, um sich Orthons Einfluss zu entziehen?
    Unter den verblüfften Blicken von Gus und dem Mädchen nahm Oksa Tugduals Kopf in die Hände und sah ihm in die Augen. Sie spiegelten nichts wider außer einer gähnenden Leere, schlimmer, als wenn er tot gewesen wäre. Sie beugte sich erneut über sein Ohr, und eine letzte Wolke drang hinein.
    »Vergiss niemals, wer du sein kannst.«
    Dann nahm sie ihr Granuk-Spuck wieder in die Hand.
    Mit Granuk-Kraft
    Ergieß deinen Saft!
    Gelöscht seien die Gedächtnisorte.
    Erinnre dich an meine Flüsterworte!
    Sekunden später kam Tugdual wieder zu sich. Sein Blick war unverändert, trotzdem schöpfte Oksa neue Hoffnung.
    »Ihr müsst jetzt gehen«, sagte er in einem schwer zu deutenden Ton, stand auf und ging zur Tür.
    »Ich begleite euch, das ist sicherer.«
    Oksa warf Gus einen Blick zu.
    »Wenn ich sie loslasse, schreit sie«, sagte er und zeigte auf das Mädchen, dem er immer noch die Hand auf den Mund hielt.
    Dieses verdrehte die Augen und schüttelte verneinend den Kopf. Erst
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