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Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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mitnehmen würde, wenn er von der Gefangennahme seiner Eltern erfuhr. Gus drehte den Kopf zur Seite und betrachtete Oksas Profil, ihre zerzausten Haare, ihre angespannten Züge. Sicher, sie hatte viele nervtötende Eigenschaften, aber es steckte auch so viel Gutes in ihr! Er spürte förmlich, wie seine Bewunderung und seine Liebe für sie noch zunahmen.
    »Wie bringt man einem Freund bei, dass seine Eltern einem größenwahnsinnigen Irren, der die Weltherrschaft anstrebt, als menschliche Schutzschilde dienen?«
    »Ich weiß es nicht, Oksa.«
    Sie tauchten in eine Nebelbank ein.
    »Am besten ist es wohl, so ehrlich wie möglich zu sein und nichts vor ihm zu verbergen«, sagte Gus schließlich.
    »Ja, das denke ich auch«, stimmte Oksa ihm zu, dennoch wirkte sie unendlich traurig.
    »Wir haben doch gute Arbeit geleistet, oder?«
    »Sehr gute Arbeit. Aber hundertprozentig.«

    Der Plemplem stand im Gemüsegarten, er ließ den Himmel nicht aus den Augen. Als er in Richtung Haus stürmte, wussten Oksa und Gus, dass ihnen Ärger bevorstand.
    »Sollen wir kehrtmachen?«, flüsterte Oksa, als sie ihren Vater als Ersten in den Garten stürmen sah.
    Gus lächelte: Sie glaubte doch selbst nicht, was sie gerade gesagt hatte.
    »Oje, jetzt setzt es was …«
    »Ach ja«, sagte Gus mit einem Seufzer.

    Marie nahm ihre Tochter fest in die Arme. »Oksa! Du hast mir einen solchen Schrecken eingejagt!«, sagte sie schluchzend. »Ich hatte furchtbare Angst, dich zu verlieren …«
    Gus wurde ebenfalls sofort umlagert, zuerst von Abakum, dann von Kukka, die überglücklich war, ihm ihre Zuneigung zeigen zu können. Nach ihr kamen der Plemplem und die Geschöpfe an die Reihe.
    »Meine Huldvolle und ihr Herzallerliebster kennen das Wiedersehen mit denen, die eine kolossale Sorge entwickelt haben!«, quiekte der Haus- und Hofmeister überglücklich. »Den Herzen widerfährt die Erleichterung!«
    Nur Pavel blieb reglos und mit finsterem Blick stehen. Als alle zur Seite getreten waren, sah Oksa ihn so unerschrocken an, wie sie irgend konnte. Er trat zu ihr, nahm sie bei den Schultern und schüttelte sie kräftig durch, versuchte dabei aber, sich noch zu beherrschen. Dann hob er drohend den Finger in die Luft und sagte mit vor Anspannung verzerrtem Gesicht: »Oksa Pollock! Ob Huldvolle oder nicht, ich möchte dir raten, mir so etwas nie wieder anzutun!«
    Dann nahm er sie in die Arme und hielt sie lange fest. Oksa vergrub das Gesicht an seinem Hals und holte tief Luft.
    »Du pikst, Papa!«
    »Wegen meiner heiß geliebten Tochter bin ich heute Nacht fast vor Angst gestorben … Da muss ich zugeben, dass ich meine morgendliche Rasur tatsächlich vergessen habe.«
    »Okay, du bist entschuldigt!«, sagte Oksa. »Aber versprich mir, dass es nicht wieder vorkommt!«
    Endlich lächelte Pavel.
    »Also, ich nehme an, dass das kein romantischer Spaziergang war, den ihr da gemacht habt. Darf man vielleicht erfahren, wo ihr wart, oder ist das zu viel verlangt?«

    Wie vereinbart, verschwiegen Oksa und Gus die genaue Lage der
Salamander
. Alles andere hingegen erzählten sie in allen Einzelheiten. Die Neuigkeiten versetzten den Versammelten einen schweren Schlag.
    »Das ist ja noch schlimmer, als wir uns vorgestellt hatten …«, schloss Pavel. »Du hattest ganz recht, Barbara: Weil Orthon von Ocious nie Anerkennung bekommen hat, will er jetzt um jeden Preis die der Mächtigen erringen.«
    »Und wenn ihm das gelungen ist, werden sie vor ihm kriechen müssen, und er wird die ganze Menschheit seinem Idealbild einer perfekten Welt unterwerfen«, ergänzte Barbara düster.
    Abakum, der an der Theke zwischen Küche und Wohnzimmer lehnte, schwieg. Oksa hatte bemerkt, wie sehr ihn der Bericht über Tugdual mitgenommen hatte. Mit seiner Zuneigung für den Enkel von Brune und Naftali war er lange Zeit bei einigen Rette-sich-wer-kann auf Unverständnis gestoßen. Trotzdem war der Feenmann bei seiner Meinung geblieben: Tugdual war sein Schützling, ganz egal, was er auch tat.
    Während die anderen lebhaft diskutierten, trat Oksa zu dem alten Mann, der sich gedankenverloren über den Bart strich. »Wie groß du geworden bist, meine Kleine …«, murmelte er leise.
    Ein Schauder lief Oksa über den Rücken. Ja, das war sie. Und er war furchtbar alt geworden. Wie sie da so vor ihm stand, sah sie ihn mit neuen Augen. Sie konnte seinen gebeugten Rücken, sein zerfurchtes Gesicht, die Krähenfüße in seinen Augenwinkeln nicht mehr ignorieren.
    »Du hast gut daran getan,
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