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Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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ein leises, animalisches Wimmern hervor, das eher mitleiderregend als bedrohlich klang. Als sie dann auch noch das Glas mit ihren gierigen schwarzen Zungen ableckten, packte Oksa ihren Freund beim Arm und schüttelte ihn, um ihn von diesem grauenhaften Anblick loszureißen.
    »Höchste Zeit abzuhauen, oder?«
    Gus konnte kaum die Augen von den sechs schrecklichen Kreaturen abwenden.
    »Ich will mir lieber nicht vorstellen, wie glücklich sie wären, wenn sie uns in unserem Zustand erwischen würden«, flüsterte er.
    »Und zu wie vielen Flaschen, gefüllt mit schwarzem Schleim, wir ihnen verhelfen würden!«
    »Komm, gehen wir!«
    Die Wesen hinter dem Spionspiegel wurden unruhig. Ein Mann kam vom anderen Ende des Labors zu ihnen, eine Frau rief ihm hinterher: »Gibt es ein Problem, Pompiliu?«
    Der Mann trat neben die Durchscheinenden und blickte mit seinen stechend blauen Augen auf die Spiegelwand. Oksa und Gus blieben wie erstarrt stehen und hielten die Luft an.
    »Nein, alles in Ordnung«, antwortete er schließlich. »Bestimmt haben unsere Lieblinge bloß die Anwesenheit des Meisters in seinem Büro gespürt.«
    Oksa schnaubte leise. Unsere
Lieblinge
? Das waren doch Monster!
    »Es wird Zeit, meine Hübschen«, fuhr Pompiliu fort. Mit einer erstaunlich zärtlichen Geste führte er die Durchscheinenden zu den Behältern aus Plexiglas, die ihnen offenbar als Bett dienten.
    »Ihr müsst euch ausruhen«, sagte er, »denn euch steht noch eine Menge Arbeit bevor, und mir auch!«, fügte er hinzu und klopfte mit der flachen Hand auf eine bauchige Flasche, auf der ein Salamander prangte.
    Entsetzt sahen sich Oksa und Gus an. Sollte Castelac etwa kein Einzelfall bleiben?
    »Los, wir haben genug gesehen!«, flüsterte Gus und trat zur Tür. »Verschwinden wir von hier!«

Tugduals Schützling
    G us ging in Richtung der unteren Stockwerke, doch Oksa zog ihn plötzlich auf die Seite der Treppe, die nach oben führte.
    »Sag bloß nicht, dass du da raufwillst!«
    Er war ganz blass geworden und konnte seine Angst nicht länger verbergen.
    »Oksa, wir wissen doch schon genug, und mit etwas Glück kommen wir jetzt noch heil davon«, beschwor er sie. »Wenn wir länger hierbleiben, begeben wir uns nur unnötig in Gefahr.«
    Statt einer Antwort schnalzte Oksa nur verärgert mit der Zunge.
    »Musst du denn unbedingt herausfinden, was es mit diesem Mädchen auf sich hat?«
    »Je mehr wir wissen, Gus, desto besser können wir uns vorbereiten.«
    »Ich glaube dir kein Wort … Du willst doch nur wissen, wer deinen Platz eingenommen hat. Gib es wenigstens zu.«
    »Glaub doch, was du willst«, zischte Oksa wütend. »Ich sehe mir das jedenfalls an.«
    Widerwillig folgte ihr Gus. Was blieb ihm auch anderes übrig?

    Oben angekommen, wandte Oksa sich an ihr Krakeel: »Kannst du uns bitte ein paar Auskünfte geben, liebes Wackelkrakeel?«
    Der kleine Kundschafter flog den ganzen Gang entlang, kam in Windeseile zurück und setzte sich auf Oksas Hand.
    »In diesem Stockwerk sind fünfzehn Zimmer, sie gehören Orthon, seinen beiden Söhnen und zehn seiner Mitarbeiter. Jedes Zimmer ist neunzehn Quadratmeter groß und verfügt über ein Badezimmer mit Dusche. Die Temperatur beträgt …«
    »Wo ist Tugduals Zimmer?«, unterbrach Oksa das Krakeel.
    »Es befindet sich zwölfeinhalb Meter von der Stelle, an der wir jetzt stehen, also ungefähr fünfundzwanzig Schritte in Richtung Nordnordwest«, antwortete der kleine Kundschafter.
    Als er Oksas verständnislose Miene sah, drückte er sich anders aus: »Das vierte Zimmer auf der linken Seite, meine Huldvolle.«
    »Oksa … Lass das sein …«
    Sie sah Gus mit ihren schiefergrauen Augen an.
    »Vertraust du mir nun oder nicht?«, flüsterte sie.
    Gus holte tief Luft. Er streichelte Oksa über den Kopf und zog sie an sich. Beide schlossen für einen Moment die Augen.
    »Das ist verdammt riskant, mir ist ganz schön mulmig zumute«, sagte Gus schließlich. Dann trafen sich ihre Lippen für einen langen Kuss.

    Die Tür war nicht abgeschlossen. Die beiden »Besucher« traten ein und zogen sie rasch hinter sich zu.
    Ein breiter Lichtstrahl drang von den Signalleuchten draußen auf der Plattform herein und erhellte das Zimmer und das Bett, in dem jemand schlief.
    Aber nicht Tugdual.
    Der stand vor einem der drei Fenster und blickte auf das bewegte Meer hinaus.
    »Ich wusste, dass du hier bist«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Ich wusste, dass du kommen würdest.«
    Seine ruhige und tiefe Stimme
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