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Ohrenzeugen

Titel: Ohrenzeugen
Autoren: Wildis Streng
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Kommissaren hinüber. Dann war es still, ganz still, außer dem gedämpften Hundegebell und dem Geräusch, das Leon mit seinem Ball verursachte, wenn er ihn gegen die Stalltür donnern ließ, und dem aufgeregten Muhen der Kühe, das immer auf das Poltern folgte.
    Es war seltsam, die vier Erwachsenen, die allesamt unangenehm berührt waren, und im Vergleich dazu das unbefangene, spielende Kind.
    Plötzlich öffnete sich die Stalltüre und Karl Weidner trat heraus, wie immer, wenn er arbeitete, im Blaumann. »Was is denn hier los!«, rief er und brach damit die Starre, in der die anderen verharrt hatten.
    Erneut krachte Leons Ball gegen die hölzerne Stallwand, was diesmal einen ohrenbetäubenden Lärm verursachte.
    »Wir haben einen Haftbefehl für den Herrn Held. Kommen Sie bitte mit, Herr Held!«
    Held schüttelte den Kopf. Langsam zuerst, dann so vehement, dass sein spärlich-schütteres Haupthaar energisch wehte. »Gor nix werd ii. Erna, komm, mir fohra jetz.«
    Erna Weidner stand immer noch neben dem Oberstudienrat und wendete nun wieder langsam das Gesicht in seine Richtung.
    »Wohin denn?«, fragte sie entgeistert.
    »Nach Spanien! Das hab’ ich dir doch gesagt! Nach Ampuriabrava, in unser Haus, unser neues Haus! Des waasch doch, Erna!«
    Heiko und Lisa bewegten sich langsam auf Held zu, jeweils eine Hand auf der Dienstwaffe. Wer konnte schon wissen, ob Held nicht auf dumme Gedanken käme.
    Je näher sie kamen, desto deutlicher erkannten sie, was sich in Helds Mimik abspielte. Ein wildes Konvolut aus Gefühlen war in dem Gesicht, das plötzlich um Jahre gealtert wirkte, zu lesen. Panik, das Bewusstsein, dass das Glück in Reichweite war, so nah und doch so fern, Gehetzt-Sein und Verzweiflung.
    Erna Weidner stand immer noch mit verschränkten Armen neben Held, während die Kommissare sich weiter näherten.
    »Wir haben einen Haftbefehl«, wiederholte Heiko und zerrte ein Blatt Papier aus der Tasche. Held schüttelte wieder den Kopf. »Des kou net sei! Ii hobb doch a Alibi.«
    »Ihr Alibi zählt nicht, Herr Held«, erklärte Lisa. »Sie haben die E-Mail vorher geschrieben. Programmiert. So, wie Sie das im Computerkurs bei Herrn Klink gelernt haben.«
    Held schwitzte wieder stärker.
    »Und? Des beweist gar nix! Ich kann daheim im Bett gelegen haben. Ganz gemütlich.«
    Heiko nickte. »Theoretisch, ja. Aber da wäre noch diese Uhr hier. Eine Taschenuhr, die das Mordopfer in der Hand hielt! Rudolf Weidner hat sie seinem Mörder während der Tat abgerissen. Erkennen Sie die Uhr, Herr Held?«
    Der Oberstudienrat starrte auf den kleinen, goldenen Gegenstand in der Hand des Kommissars. »Des is net mei Uhr!«, behauptete er. »Des müsst ihr ersch beweisa.«
    Heiko drehte die Uhr um und hielt sie hoch, sodass sie im Sonnenlicht aufgleißte. Dann deutete er mit großer Geste auf die Gravur. »Der 27. Oktober 1914. Hochzeitsdatum Ihrer Großeltern, Herr Held. Väterlicherseits. Noch dazu hat unser Spurensicherer Ihre DNA auf dem Ding gefunden! Reicht das?«
    »Na und?«, versuchte Held. »Ii hobb doch gor ko Motiv.«
    »Ihr Motiv steht vor Ihnen!«, erläuterte Lisa. »Wollen Sie wirklich mit dem Mörder Ihres Mannes nach Spanien durchbrennen, Frau Weidner?«
    »Erna«, begann der Mann, und seine Stimme klang weinerlich. Helds Augen füllten sich mit Tränen, und schließlich schluchzte er hemmungslos. Sein Blick suchte den seiner Geliebten.
    »Ich hab’s doch für uns gemacht, Erna! Wir wollten doch nach Spanien, du und ich! Ich wollte einmal glücklich sein in meinem Leben. Nur einmal! Mit dir! Alle sind sie tot, die Helga und die Berta, und ich hab’ nur noch dich, und ich wollte mit dir glücklich sein, ich liebe dich doch so, Erna! Meine Erna!«
    In Erna Weidners Hirn arbeitete es sichtlich. Für einen kurzen Moment glaubte Heiko, sie hätte ebenfalls etwas mit dem Mord zu tun. Dann brach Held in einem Weinkrampf zusammen und die Bäuerin nahm langsam die Arme auseinander. Sie bückte sich, zog das schluchzende Bündel Elend an sich und wiegte ihren Geliebten hin und her wie ein kleines Kind. »Is scho reechd, du hasch’s ja net sou gmoont«, murmelte sie beruhigend.
    Jemand schob sich von hinten an Heiko vorbei und es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, bis er registrierte, dass Karl Weidner vor hatte, den Mörder seines Vaters mit einer Schaufel niederzustrecken.
    Heiko setzte sich in Bewegung. Karl brüllte wie ein Tier, sein Gesicht war wutverzerrt und gleich wäre er bei dem Oberstudienrat.
    »Bleiben
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