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Ohrenzeugen

Titel: Ohrenzeugen
Autoren: Wildis Streng
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SchleckiFressi!«
    »Ahja, stimmt.«
    »Jedenfalls wollte ich da mal anrufen. Ist es schon nach halb neun?«
    »Viertel vor neun«, informierte Lisa, und Heiko schnalzte mit der Zunge.
    »Des haaßt dreiviertel neun!«
    Lisa grinste. Heiko schnappte sich das Telefon und wählte noch einmal die Nummer von letzter Nacht.
    Wieder Bellen und Maunzen. Dann die Stimme von gestern: »Herzlich willkommen bei SchleckiFressi. Wir freuen uns sehr über Ihren Anruf! Im Moment sind leider alle Plätze belegt. Bitte gedulden Sie sich einen Augenblick, Sie werden mit dem nächsten freien Mitarbeiter verbunden!«
    Die Warteschleife war eine Version von ›Hänschen klein‹, die von Katzen miaut und von Hunden gebellt wurde.
    Vor ›Aber Mutter weinet sehr‹, vielmehr vor ›Miaumiau Miaumiau miaumiau wuff‹, klickte es in der Leitung und eine freundliche Dame meldete sich. »Willkommen bei SchleckiFressi, was kann ich für Sie tun?«, fragte die Stimme, die nun wirklich sehr weiblich war und die ein bisschen an Hotlines anderer Art denken ließ.
    »Ja, äh, Kriminalpolizei Crailsheim hier, Wüst, wir bräuchten eine Auskunft!«
    »Ja?«
    »Nun, wir müssten ein Alibi überprüfen. Hat ein Herr namens Wilhelm Held am Dienstag, dem 14. April, um 1.13 Uhr eine E-Mail an Ihren Kundenservice geschickt?«, wollte Heiko wissen.
    Lisa grinste. Sie fand es niedlich, wie unbeholfen ihr Freund am Telefon wirkte. So schüchtern. Heiko hörte das Klacken von Computertasten.
    »Ja, das stimmt«, sagte die freundliche Stimme dann.
    Der Kommissar seufzte.
    »Also, danke.«
    »Gern geschehen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.«
     
    »Si?«, ertönte es aus der Lautsprecheranlage des Mehrfamilienhauses im Roten Buck.
    »Policia«, antwortete Lisa und demonstrierte damit ihre Spanischkenntnisse.
    »Un momento por favor«, kam es aus dem Lautsprecher, und schon surrte der Türöffner.
    »Dritter Stock!«, rief die gleiche Stimme von oben.
    Lisa und Heiko stiegen die altertümlichen Stufen hinauf– ein 50er-Jahre-Bau, wo die Außenwand des Treppenhauses aus Glasbausteinen bestand.
    Teils waren die Steine bunt, sodass ein diffus-kitschiges Lichtspiel durchs Treppenhaus flutete. Schließlich waren sie oben angekommen und wurden von einem Salzteig-Türschild, auf dem ›Bienvenidos‹ stand, empfangen.
    Heiko konnte nicht umhin, das Schild witzig zu finden– so gar nicht passte die urdeutsche Salzteigtechnik zur spanischen Sprache.
    Landfrau meets Spanien– nun gut!
    Die Tür, die einen Spalt geöffnet war, schwang nun ganz auf. Eine kleine, sehr schlanke Frau kam zum Vorschein. Sie war eine Spanierin, wie sie im Buche stand. Ihr nachtschwarzes Haar, das vielleicht auch gefärbt war, war zu einem strengen Knoten gebunden. Ihr Scheitel war akkurat gezogen und ihr Lippenstift leuchtete dunkelrot.
    Sie steckte in einer roten Chiffonbluse mit Rüschen und einer schwarzen Stoffhose. Die Augen betonte ein dunkler Kajal.
    Nur ihre große Nase passte nicht so recht zum ansonsten sehr feinen Gesicht.
    Lisa fragte sich unwillkürlich, ob das die normale Aufmachung der Frau war und ob sie wohl einen Jogginganzug besaß.
    »Si?«, machte die Frau noch einmal und zog die akkurat gezupften Augenbrauen hoch.
    »Polizei«, sagte Heiko, »wir hätten ein paar Fragen zu einem Ihrer Schüler, Frau Kaiser!«, sagte er.
    »Ah, okay, vale, kein Problem, kommen Sie herein, bitte.«
    Die Tür schwang noch weiter auf und die kleine Spanierin machte eine einladende Handbewegung und winkte sie ins Wohnzimmer.
    »Bitte entschuldigen Sie die Unordnung«, sagte sie, und Lisa fragte sich, was sie damit meinte. Das Wohnzimmer sah aus wie aus einem Katalog für Wohndesign.
    »Was wollen Sie trinken?«, fragte die Gastgeberin.
    »Einen Kaffee, wenn Sie hätten?«
    »Ich habe auch fantastischen Melonenlikör, muy delicioso, aus Spanien«, lockte Frau Kaiser. Aber Lisa und Heiko schüttelten brav die Köpfe. Kein Alkohol im Dienst.
    »Einen Kaffee also.« Die Spanierin verschwand in der Küche. Das gab Lisa und Heiko Zeit, sich über die Bilder an den Wänden auszulassen: Es handelte sich ausschließlich um Kunstdrucke von Stierkampfplakaten, allesamt mit breitem Passepartout weiß gerahmt.
    »Warst du schon mal in Spanien?«, fragte Lisa und Heiko schüttelte den Kopf. »Was, noch nie?« Lisa wirkte nun ehrlich entsetzt.
    »So, Ihr Kaffee«, meldete sich nun Frau Kaiser und trug ein Silbertablett mit drei elegant wirkenden weißen, schweren Porzellantassen herein. Auf dem
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