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Ohrenzeugen

Titel: Ohrenzeugen
Autoren: Wildis Streng
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Die beiden bedankten sich. Der Wirt wandte sich zum Gehen, aber der Kommissar räusperte sich.
    »Ja?«, fragte der Italiener.
    »Ich hätte da eine Frage! Kennen Sie Rudolf Weidner?«
    Der Wirt wirkte betreten. Am Stammtisch war es schlagartig still und man konnte die gespitzten Ohren geradezu sehen.
    »Schlimm, was mit dem armen Rudi passiert ist, ganz schlimm!«, kommentierte er dann. »Wieso, was issn mim Rudi?«, fragte nun eine dunkelhaarige, schlanke Frau in den 50ern, die hinter die Theke getreten war.
    »Den hens heid Nacht umbroochd, waasch du des nouni?«, schaltete sich nun einer der Stammtischbrüder ein und trank einen Schluck Bier. Die Frau wirkte ehrlich schockiert.
    »Wie? Warum?«, stammelte sie und alle Farbe wich aus ihrem ebenmäßigen Gesicht, das von relativ buschigen Augenbrauen gekrönt wurde.
    »Mit arra Axt henn se em da Schädel eigschloocha!«, informierte der ältere Mann.
    »Woher wissen die das denn?«, wisperte Lisa. »Das war doch erst heute Nacht!«
    Heiko winkte ab. »So was verbreitet sich schnell. In den meisten Dörfern gibt es ein Informationsnetz von Leuten, die sich gegenseitig per Telefon informieren. Und wenn auch nur einer von denen was mitkriegt…!«
    »Und weiß man schon, warum?«, forschte nun die Frau, die mittlerweile ein Glas in der Hand hielt und es hingebungsvoll trockenrubbelte.
    »Nein, ich kann mir das auch gar nicht erklären! Wer konnte denn bitte den Rudi nicht leiden!«, meinte nun der rothaarige, jüngere Mann.
    »Der wor a reechder Kerle«, attestierte nun wieder der Ältere, bevor er einen Schluck aus seinem Bierglas nahm.
    ›Reechder Kerl‹ bedeutete auf Hohenlohisch ›anständiger Mann‹, wie Heiko Lisa nun erläuterte.
    Der unmittelbare Nachbar, ein blonder, untersetzter Herr im Rentenalter, wiegte daraufhin den Kopf hin und her. »So ohne war der auch nicht«, gab er zu bedenken.
    »Ich kann’s gar nicht glauben. Gestern sind wir noch alle hier zusammengesessen«, meldete sich jetzt der Jüngere wieder. Alle hoben stumm ihre Gläser auf das Opfer und tranken einen weiteren Schluck Weizen.
    Heiko nickte Lisa kurz zu und stand auf.
    »Entschuldigung, habe ich das gerade richtig mitbekommen? Wart ihr gestern Nacht mit dem Opfer zusammen?«, fragte er nun in Richtung Stammtisch.
    »Do isser ghogt«, schaltete sich nun der, der sich zuerst zu Wort gemeldet hatte, wieder ein und deutete auf einen leeren Stuhl. Er trug sein spärliches graues Haupthaar zum Seitenscheitel frisiert, eine Brille saß auf seiner Nase und er hatte eine bordeauxfarbene Strickweste an.
    »Wie kann denn so was passieren! Wer konnte denn bitte den Rudi nicht leiden!«, jammerte nun der Rothaarige wieder, der tatsächlich irgendwie verwaist wirkte.
    »Das würde ich auch gern wissen«, konterte Heiko. Der Blonde blickte ihn nun aus stahlblauen Augen stechend an.
    »Wieso?«
    »Ich bin von der Polizei. Kommissar Wüst!«, stellte sich Heiko vor. »Habt ihr was dagegen, wenn wir euch ein paar Fragen stellen?«
    Der mit der Weste schüttelte den Kopf. »Awwa«, machte er, was eigentlich »Ach was« bedeutete, und fuhr dann auf Hochdeutsch fort, »die Polizei, dein Freund und Helfer!« Alle grinsten. Auch, wenn sie nicht unbedingt scharf darauf waren, interviewt zu werden, so schien ihnen die Vorstellung, vielleicht wichtige Zeugen zu sein, doch zu schmeicheln.
    »Habt ihr noch Platz für uns?«, fragte Heiko nun, und die Männer wiesen auf die freien Stühle. Die beiden älteren waren wohl zwischen 60 und 70, schätzte Heiko, der Rothaarige hingegen erst um die 35. Trotzdem sah der jüngere irgendwie verbraucht aus. Der Kommissar winkte seiner Kollegin, die sich die Gläser schnappte und zum Tisch kam.
    »Sind Sie auch bei der Polizei?«, fragte der Rothaarige nun eher scherzhaft. In seiner Vorstellung waren Frauen sicherlich idealerweise Hausfrau und Mutter und hatten ansonsten nicht viel zu melden.
    Aber solche hatte Lisa gefressen, das wusste Heiko. Sie verzog ihren Mund zu einem schiefen Lächeln.
    »Lisa Luft, Kommissarin.« Der Rothaarige schluckte und nickte.
    »Ihr Name?«
    »Ich bin der Herbert.«
    »Wie weiter?«, fragte Heiko und zündete sich eine Zigarette an. Der Blonde folgte seinem Beispiel.
    »Herbert Winterbach.«
    »Und ihr?«, fragte Heiko. Lisa guckte irritiert. Dabei hatte er ihr schon hundertmal erklärt, dass in Hohenlohe und weiten Teilen Baden-Württembergs beim Siezen im Plural immer ›ihr‹ verwendet wurde.
    »Friedrich Maler«, stellte sich der
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