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Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall

Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall

Titel: Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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unter Schock steht, trotzdem Informationen rausholen kann“, verkündete der Leiter des K1 in oberlehrerhaftem Ton und begab sich anschließend mit Kommissar Fouquet zu dem Lokführer, der sich in Begleitung eines Sanitäters in einem Nebenraum des Bahnhofsgebäudes aufhielt.
    „Mein Name ist Tannenberg, ich bin Kriminalbeamter und möchte Ihnen gerne ein paar Fragen zum Ablauf des Unglücks stellen. – Haben Sie verstanden, was ich eben gerade gesagt habe?“
    Keine Reaktion.
    Aber der berufserfahrene Ermittler ließ sich von dieser demonstrativ zur Schau getragenen Ignoranz nicht im Geringsten beeindrucken. „Sie wollten gerade mit Ihrem Zug in den Heiligenbergtunnel einfahren. Und da ist etwas passiert. Ist das richtig?“
    Der kräftige, bärtige Mann schwieg und blickte weiter starr geradeaus in Richtung eines etwa drei Meter von ihm entfernt stehenden Schreibtischs. Sein glasiger Blick schien allerdings nichts Konkretes zu fixieren. In Zeitlupentempo schoben sich die Lider über die mit roten Äderchen durchsetzten Augäpfel, trafen sich für einen kurzen Moment in der Mitte, um sich gleich danach wieder langsam voneinander zu entfernen.
    „Haben Sie ihm etwa ein Beruhigungsmittel gegeben?“, herrschte Wolfram Tannenberg plötzlich den jungen Sanitäter an, der zusammengesunken auf einem Stuhl neben dem einzigen Fenster des äußerst spartanisch eingerichteten Büroraums saß.
    „Nein, ich nicht … Und der … Doktor auch nicht“, gab dieser stockend zurück.
    Tannenberg kniete sich direkt vor den Zugführer, legte seine Hände auf dessen Knie und betrachtete ihn mit einem fordernden, stechenden Blick.
    „Sie wollten also gerade in den Tunnel einfahren. Konzentrieren Sie sich! Was ist genau in diesem Moment passiert?“
    Der Mann machte den Eindruck, als ob er etwas sagen wollte, denn seine Lippen öffneten sich, gefroren dann aber gleich wieder zu völliger Regungslosigkeit.
    „ Was ist passiert? Warum haben Sie die Notbremse gezogen?“
    Die Augenbrauen zuckten ein wenig, sonst blieb der Zugführer des Intercitys ungerührt.
    „Sind Sie eigentlich verrückt geworden? Sie haben mit ihrem blödsinnigen Verhalten das Leben Ihrer Fahrgäste gefährdet!“, schrie Tannenberg plötzlich los, erhob sich mit schnellen Bewegungen aus seiner knienden Sitzposition, packte den Zugführer an dessen Schultern und rüttelte ihn ein paar Mal richtig durch.
    Noch bevor Kommissar Fouquet und der Sanitäter die völlig überraschende Veränderung der Situation erfasst hatten, war in die mumienhafte Mimik des Beschimpften das Leben zurückgekehrt.
    „Aber ich musste doch bremsen“, sagte er mit tränenerstickter Stimme.
    „Wieso mussten Sie bremsen?“, setzte Tannenberg sofort nach.
    „Weil …“ Er schlug die Hände vor die Stirn. „So etwas Schreckliches hab ich noch nie erlebt!“
    „Das ist wirklich etwas Furchtbares! Aber Sie müssen einfach daran denken, dass Sie absolut keine Schuld trifft. Es ist nun leider mal so: Wenn ein verrückter Selbstmörder sich umbringen will, kann man gar nichts dagegen machen. Wie schnell sind Sie denn eigentlich gewesen?“
    „Hundertsechzig …“
    „Hundertsechzig! Wie sollten Sie denn da noch rechtzeitig bremsen? Das ist ja völlig unmöglich!“
    „Ja: völlig unmöglich … Aber es war kein Selbstmord.“ Er schüttelte zur Unterstützung seiner Behauptung mit Vehemenz den Kopf.
    „Warum nicht?“, setzte Tannenberg direkt nach.
    „Weil diese beiden Männer …“, der Zugführer schluckte, presste die Lippen fest aufeinander, „die Person auf mein Gleis geworfen haben … Die hätten ja auch das andere nehmen können. Dann wär wenigstens ich nicht drübergefahren!“
    „Sind Sie wirklich sicher, dass es zwei Männer waren?“, mischte sich nun auch Adalbert Fouquet ein. „Vielleicht haben Sie sich ja getäuscht und es waren nur Schatten von Bäumen oder Sträuchern.“
    „Im ersten Augenblick hab ich ja gedacht, dass es Wildschweine oder Rehe sind. Die seh ich nachts nämlich oft. Aber als die beiden Männer aufgestanden sind und den Körper an den Beinen hochgehoben haben …“ Er brach ab, rang deutlich erkennbar um Fassung.
    „Konnten Sie die Gesichter der Männer sehen?“, platzte es unkoordiniert aus dem altgedienten Kriminalbeamten heraus.
    „Weiß nicht … Hab keine Gesichter gesehen … Hatten Masken oder Mützen auf … Ging ja auch alles so schnell!“, stotterte der Mann, der zu zittern und hörbar mit den Zähnen zu klappern
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