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Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)

Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)

Titel: Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)
Autoren: Tom Rob Smith
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hier!«
    »Wo ist sie nicht, Dad?«
    »Im Krankenhaus! Sie haben sie entlassen. Gestern habe ich sie hingebracht. Von selbst wäre sie nicht gegangen. Aber sie hat nicht widersprochen, deshalb gilt die Einweisung als freiwillig. Als ich dann weg war, hat sie die Ärzte überredet, sie zu entlassen.«
    »Mum hat sie überredet? Du hast doch erzählt, die Ärzte hätten bei ihr eine Psychose diagnostiziert.«
    Mein Dad antwortete nicht. Ich hakte nach:
    »Haben sie die Entlassung nicht mit dir besprochen?«
    Leise sagte er:
    »Sie muss sie gebeten haben, nicht mit mir zu reden.«
    »Warum sollte sie das machen?«
    »Weil ihre Anschuldigungen auch mich betreffen.«
    Hastig fügte er hinzu:
    »Was sie behauptet, stimmt alles nicht.«
    Jetzt schwieg ich. Ich hätte ihn gerne nach diesen Anschuldigungen gefragt, brachte es aber nicht fertig. Ich hockte mich auf meinen Koffer, stützte den Kopf in die Hand und winkte den Leuten hinter mir, sie sollten vorgehen.
    »Hat sie ein Handy?«
    »Ihres hat sie vor ein paar Wochen zerschlagen. Sie traut Handys nicht.«
    Die Vorstellung, wie meine sparsame Mutter ohne Sinn und Verstand ein Handy zerstörte, ließ mich stocken. Was mein Vater beschrieb, passte nicht zu dem Menschen, den ich kannte.
    »Geld?«
    »Wahrscheinlich ein bisschen – sie hat ihre große Umhängetasche dabei. Die lässt sie nicht aus den Augen.«
    »Was ist darin?«
    »Allerhand Krempel, den sie für wichtig hält. Sie behauptet, es wären Beweise.«
    »Wie hat sie das Krankenhaus verlassen?«
    »Nicht mal das wollten sie mir sagen. Sie könnte überall sein!«
    Jetzt stieg zum ersten Mal Panik in mir auf. Ich sagte:
    »Du und Mum habt gemeinsame Konten. Du könntest die Bank anrufen und nach neuen Abbuchungen fragen. Sie über ihre Karte finden.«
    Dads Schweigen verriet mir, dass er noch nie mit der Bank telefoniert hatte; Geldangelegenheiten hatte er immer meiner Mutter überlassen. Weil sie mit einem Händchen für Zahlen und der nötigen Geduld gesegnet war, um stundenlang Quittungen und Rechnungen zusammenzutragen, hatte sie in dem Gartengeschäft, das ihnen gemeinsam gehörte, die Bücher geführt, die Rechnungen bezahlt und jedes Jahr die Steuererklärung abgegeben. Ich konnte mich noch an ihr altmodisches Hauptbuch erinnern, als es noch keine Tabellenkalkulation gab. Sie hatte mit dem Stift so fest aufgedrückt, dass die Zahlen auf der Rückseite wie Brailleschrift hervorgetreten waren.
    »Dad, frag bei der Bank nach, und ruf mich sofort wieder an.«
    Während ich wartete, verließ ich die Schlange und das Terminal, lief draußen zwischen den Rauchern auf und ab und stellte mir dabei Mum irgendwo allein in Schweden vor. Wieder klingelte mein Handy. Ich war überrascht, dass Dad den Anruf so schnell erledigt hatte, allerdings war es nicht Dad.
    »Daniel, hör mir gut zu …«
    Es war meine Mum.
    »Ich bin an einem Münztelefon und habe nicht viel Geld. Bestimmt hat dein Vater mit dir gesprochen. Jedes Wort von diesem Mann ist eine Lüge. Ich bin nicht verrückt. Ich brauche keinen Arzt. Ich brauche die Polizei. Ich fliege gleich nach London. Hol mich in Heathrow ab, am Terminal …«
    Zum ersten Mal machte sie eine Pause, um auf ihrem Ticket nachzusehen. Ich wollte die Gelegenheit nutzen, brachte aber nur ein jämmerliches »Mum!« heraus.
    »Sag nichts, Daniel, ich habe nur ganz wenig Zeit. Das Flugzeug landet an Terminal Eins. In zwei Stunden bin ich da. Wenn dein Vater anruft, vergiss nicht …«
    Die Verbindung brach ab.
    Ich rief das Münztelefon an in der Hoffnung, meine Mum würde sich melden, aber niemand nahm ab. Als ich es noch einmal versuchen wollte, rief mein Dad an. Ohne Vorrede legte er los. Es klang, als würde er ablesen.
    »Um zwanzig nach sieben heute Morgen hat sie vierhundert Pfund am Flughafen Göteborg ausgegeben. Bei Scandinavian Airlines. Sie war früh genug für den ersten Flug nach Heathrow da. Daniel, sie ist auf dem Weg zu dir! Daniel?«
    »Ja.«
    Warum erzählte ich ihm nicht, dass Mum gerade angerufen hatte und ich schon wusste, dass sie kam? Glaubte ich ihr? Sie hatte bestimmt und resolut geklungen. Ich hatte unsinniges Gefasel erwartet, keine klaren Informationen und knappen Sätze. Ich wusste nicht, was los war. Es wäre mir aggressiv und streitsüchtig vorgekommen, ihre Anschuldigung zu wiederholen, dass mein Dad ein Lügner war. Stammelnd antwortete ich:
    »Ich warte hier auf sie. Wann fliegst du her?«
    »Gar nicht.«
    »Du bleibst in Schweden?«
    »Wenn sie glaubt,
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