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Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)

Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)

Titel: Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)
Autoren: Tom Rob Smith
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passten nicht zu den Beschreibungen, es sei alles so schön, obwohl ich das in meiner Antwort natürlich nicht erwähnt hatte. Ich hatte nur geschrieben, ich würde mich darauf freuen, den Hof selbst zu sehen. Was gelogen war. Ich hatte keine Lust auf einen Besuch und hatte mich mit vagen Halbwahrheiten herausgeredet und ihn vom Frühsommer auf den Spätsommer und schließlich auf den Frühherbst verschoben.
    Tatsächlich schob ich es hinaus, weil ich Angst hatte. Ich hatte meinen Eltern nicht erzählt, dass ich mit meinem Partner zusammenlebte und wir uns seit drei Jahren kannten. Ich spielte ihnen schon so lange etwas vor, dass ich überzeugt war, es würde meine Familie zerstören, wenn ich reinen Tisch machte. Auf der Uni hatte ich mich mit Mädchen verabredet, meine Eltern hatten meine Freundinnen bekocht und sich immer über meine Wahl gefreut – die Mädchen waren schön, witzig und klug. Aber mein Herz schlug nicht schneller, wenn sie sich auszogen, und beim Sex konzentrierte ich mich fachmännisch auf die anstehende Aufgabe, weil ich dachte, wenn ich ihnen Lust bereitete, konnte ich nicht schwul sein. Erst als ich nicht mehr zu Hause wohnte, akzeptierte ich die Wahrheit und erzählte es meinen Freunden, nur meinen Eltern nicht. Nicht, weil ich mich schämte, sondern aus gut gemeinter Feigheit. Ich hatte schreckliche Angst, es würde die Erinnerungen an meine Kindheit verderben. Meine Eltern hatten sich solche Mühe gegeben, um ein glückliches Heim zu schaffen, sie hatten Opfer gebracht, hatten sich geschworen, immer ruhig zu bleiben und mir ein harmonisches Zuhause zu bieten, und es hatte keine Ausrutscher gegeben, keinen einzigen, und dafür liebte ich sie. Wenn sie die Wahrheit hörten, würden sie mit Sicherheit glauben, sie hätten versagt. Sie würden an die ganzen Lügen denken, die ich ihnen erzählt haben musste. Sie würden sich ausmalen, ich wäre einsam und gequält gewesen, man hätte mich gemobbt und sich über mich lustig gemacht, obwohl das alles nicht stimmte. Meine Jugend war problemlos verlaufen. Der Übergang von der Kindheit zum Erwachsensein war für mich ein Spaziergang gewesen – meine hellblonden Haare verloren nur leicht ihren Glanz, meine blauen Augen strahlten wie früher, und das gute Aussehen brachte unverdiente Beliebtheit mit sich. Ich glitt problemlos durch diese Jahre. Auch mein Geheimnis belastete mich nicht besonders. Es machte mich nicht traurig. Ich grübelte einfach nicht groß darüber nach. Kurz gesagt: Ich hätte es nicht ertragen, wenn meine Eltern gedacht hätten, dass ich an ihrer Liebe zweifelte. Es erschien mir ihnen gegenüber so unfair. Ich konnte richtig hören, wie ich verzweifelt sagte, ohne es selbst zu glauben:
    »Das ändert nichts!«
    Ich war sicher, dass sie meinen Partner mit offenen Armen aufnehmen und sich über unsere Beziehung freuen würden, wie sie sich über alles gefreut hatten, aber ein Hauch Traurigkeit würde bleiben. Die Erinnerung an eine perfekte Kindheit würde sterben, und wir würden um sie trauern wie um einen geliebten Menschen. Und so hatte ich meine Reise nach Schweden nur verschoben, weil ich meinem Partner versprochen hatte, ich würde meinen Eltern bei dieser Gelegenheit die Wahrheit sagen, nach all den Jahren würde ich ihnen endlich sagen, wie der Mann hieß, mit dem ich lebte.
    Als Mark an diesem Abend nach Hause kam und sah, dass ich am Computer Flüge nach Schweden heraussuchte, lächelte er, bevor ich etwas sagen konnte. Er dachte, die Lügen hätten ein Ende. Ich schaltete nicht schnell genug, und so blieb mir nichts anderes übrig, als die Dinge sofort richtigzustellen. Ich benutzte den Euphemismus meines Vaters:
    »Meine Mum ist krank.«
    Es tat mir weh, wie Mark darauf reagierte, wie er versuchte, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Er war elf Jahre älter als ich, gerade vierzig geworden, und das hier war seine Wohnung, die er sich als erfolgreicher Firmenanwalt leisten konnte. Ich bemühte mich, meinen Teil zu der Beziehung beizutragen, und zahlte so viel Miete, wie ich mir leisten konnte. Aber ehrlich gesagt war das nicht viel. Ich arbeitete als freischaffender Designer für eine Firma, die Hausdächer zu Gärten umbaute, und Geld kam nur herein, wenn ich einen Auftrag hatte. Und die blieben während der Wirtschaftsflaute aus. Was sah er in mir? Ich schätzte, dass er sich nach dem beschaulichen Leben sehnte, in dem ich Experte war. Ich diskutierte nicht ständig herum. Ich suchte keinen Streit. So
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