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Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)

Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)

Titel: Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)
Autoren: Tom Rob Smith
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erzählte ihm, dass ich meine Arbeit aufgeben wollte. Im neuen Jahr würde ich mir einen anderen Beruf suchen. Wäre die Idee verrückt gewesen, hätte Mark Bedenken angemeldet. Aber er nahm meine Ankündigung widerspruchslos hin, deshalb vermutete ich, dass er sich schon seit einiger Zeit ähnliche Gedanken gemacht hatte. Er fragte:
    »Was willst du machen?«
    »Das muss ich noch herausfinden.«
    Mein Dad wartete im Krankenhaus auf uns. Er umarmte Mia zur Begrüßung. In seinem Gesicht sah ich Verzweiflung, und ich spürte sie auch in seinem Körper, als er mich umarmte. Seine Schultern waren verkrampft, und er hatte noch mehr Gewicht verloren. Obwohl er sofort zu ihr gehen wollte, schlug ich vor, wir sollten erst zusammen Mittag essen. Ich wollte nicht, dass sich jemand gehetzt fühlte. Und ich hatte eine letzte Bitte an Mia.
    Ganz in der Nähe fanden wir ein altmodisches Café. Zum Essen wurde ein Teller mit weichen, gebutterten Weißbrotscheiben und Tee in Edelstahlkännchen serviert, der so stark war, dass Anders beim Einschenken lachen musste. Abgesehen von diesem willkommenen Heiterkeitsausbruch redeten wir kaum. Mir ging nicht aus dem Kopf, dass meine Mum bei den ganzen Ereignissen immer wieder eine konkrete Gefahr gespürt hatte. Es ging nicht nur um Traurigkeit. Sie hatte das Gefühl gehabt, ein junges Mädchen sei in Gefahr. Es musste einen Übeltäter geben. Ich brach das Schweigen und fragte Mia, ob sie irgendwann in Gefahr gewesen sei. Sie schüttelte den Kopf. Aber etwas hatte sie mir noch nicht erzählt. Vermutlich, weil sie es Anders nicht erzählt hatte.
    Ich wollte mein Glück versuchen, gab Mia die Märchensammlung und zeigte ihr die Geschichte, die meine Mum gemeint hatte. Leicht verdutzt begann sie zu lesen. Sie muss meiner Mum nahegestanden haben, denn als sie zum Schluss kam, weinte sie. Ich versprach, ich würde nie wieder davon anfangen, bevor ich meine Frage ein letztes Mal wiederholte:
    »Waren Sie irgendwann in Gefahr?«
    Mia nickte. Anders starrte sie an. Er hatte davon nichts gewusst. Ich fragte:
    »Was ist passiert?«
    »Der Bürgermeister war ein widerlicher Typ. Das wusste auch jeder. Er hatte ständig Bemerkungen über meine Figur, meine Beine und meine Brüste gemacht. Manchmal ist er ins Bad gegangen, stand bei offener Tür da und hat gehofft, ich würde vorbeikommen. Ich habe es Håkan gesagt. Ich habe es Elise gesagt. Sie hat zugegeben, dass der Bürgermeister ein alter notgeiler Bock ist. Aber er hat Håkan unterstützt. Er hätte alles gemacht, was Håkan wollte. Also hat Håkan gesagt, ich solle mich nicht so freizügig anziehen, wenn er in der Nähe ist.«
    Mir fiel ein, wie meine Mum Mia das erste Mal gesehen hatte, und ich sagte:
    »Bei diesem Grillfest im Mai haben Sie sich vor allen Gästen ausgezogen und sind schwimmen gegangen.«
    »Damit wollte ich Håkan zeigen, dass ich anziehe, was ich will, und dass ich mich nicht verstecke, weil der Bürgermeister ein ekelhafter Mistkerl ist, oder weil Håkan es mir sagt. Vom Prinzip her nicht schlecht, oder? Aber der Bürgermeister ist zu dumm, um so was zu kapieren. Er dachte, ich würde mit ihm flirten. Ein paar Wochen später habe ich einmal spätabends an meinem Schreibtisch gesessen und gelesen, und als ich aufgesehen habe, stand der Bürgermeister in der Tür. Håkan hatte mit ein paar Freunden Karten gespielt und brachte einen von ihnen nach Hause, weil er zu tief ins Glas geschaut hatte. Håkan war nie betrunken. Nie. Aber er hat andere Leute dazu angestachelt. Wie auch immer, Elise war unterwegs. Irgendwie waren der Bürgermeister und ich allein im Haus geblieben. Früher hatte ich mich nie vor ihm gefürchtet, ich fand ihn nur jämmerlich, aber an diesem Abend habe ich Angst bekommen. Er hat sich in den Türrahmen gelehnt. Ich habe mir ein Lächeln abgerungen und ihm gesagt, ich würde ihm einen Kaffee kochen. Ich war nicht sicher, ob er mich durchlässt, weil er sich nicht gerührt hat, also habe ich neckisch seine Hand genommen und ihn aus dem Zimmer gezogen, weil ich wusste, dass er irgendwie glaubt, ich würde ihn wollen, und es würde erst gefährlich werden, wenn ich ihm klarmache, dass das nicht stimmt. Ich sagte, wir könnten doch beide was trinken, keinen Kaffee, irgendwas mit Alkohol, und er meinte, das würde gut klingen. Sobald er den Fuß auf die Treppe gesetzt hat, habe ich mich umgedreht und bin losgerannt. Die Tür zu meinem Zimmer konnte ich nicht abschließen, aber die Badezimmertür. Ich habe die
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