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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur
Autoren: Lisa Gardner
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Kollegen – überall umgehört?»
    «Wir sind dabei.»
    «Und von Sandra Jones immer noch keine Spur.»
    Miller warf einen Blick auf seine Armbanduhr. «Wir suchen seit ungefähr sechs Stunden, bislang vergeblich.»
    «Aber im Schlafzimmer deutet einiges auf ein Verbrechen hin. Wir haben in der vierjährigen Tochter eine potenzielle Zeugin und in Sandras Ehemann, dem Journalisten, einen potenziellen Täter. Ist das so richtig zusammengefasst?»
    «In etwa.» Miller deutete auf die Eingangstür und verriet einen ersten Hinweis auf Ungeduld. «In welcher Reihenfolge wollen Sie vorgehen? Haus, Ehemann oder Kind?»
    D.   D. legte die Hand auf den Türknauf. Ihr Bauchgefühl hatte eine Antwort. Trotzdem wollte sie sich die Frage nochmal durch den Kopf gehen lassen. Die ersten Stunden nach Eingang einer Meldung, die offenließ, ob einVerbrechen vorlag oder nicht, waren entscheidend für jede Ermittlung. Es gab womöglich Verdachtsmomente, aber keine klaren Indizien, auffällige Personen vielleicht, aber keine Hauptverdächtigen. Also kein Ende, an dem man den Fall zu fassen bekam.
    D.   D. seufzte. Ihr war klar, dass sie so bald nicht würde nach Hause zurückkehren können, und in diesem Wissen traf sie ihre Wahl.

3.   Kapitel
    Ich erkenne Cops auf den ersten Blick. So ist das mit den besonderen Talenten. Andere können beim Pokern enorm gut bluffen – ich bin gut im Erkennen von Cops.
    Der erste in Zivil fiel mir beim Frühstück auf. Ich hatte mir gerade eine Schale Rice Crispies zurechtgemacht und lehnte an dem stumpfen Resopaltresen, um zu essen. Mit Blick durch das winzige Fenster über der Spüle sah ich ihn, hübsch eingerahmt von Gardinenspitze: männliches Subjekt, weiß, circa eins fünfundsiebzig, dunkle Haare, dunkle Augen. Er ging auf der anderen Straßenseite Richtung Süden, trug schlichte Chinos, ein Sportsakko, das nach Tweed aussah, und ein blaues Oberhemd. Die dunkelbraunen Schuhe waren auf Hochglanz poliert und hatten dicke schwarze Gummisohlen. In der rechten Hand hielt er ein kleines Notizbuch mit Spiralrücken.
    Ein Cop.
    Ich nahm einen Löffel Crispies, kaute, schluckte und nahm wieder einen Löffel.
    Der zweite Typ tauchte ungefähr anderthalb Minutenspäter auf. Größer – an die eins fünfundachtzig, mit kurzgeschnittenem blondem Haar und feistem Kinn von der Sorte, auf die weniger stabile Typen wie ich unwillkürlich draufhauen wollen. Er trug eine ähnliche Hose, ein ähnliches Sportjackett und ein weißes Oberhemd. Kollege Nummer zwei arbeitete sich auf meiner Straßenseite entlang.
    Dreißig Sekunden später klopfte er an meine Tür.
    Ich kaute, schluckte und nahm einen neuen Löffel.
    Um sechs Uhr fünf geht mein Wecker, jeden Morgen von Montag bis Freitag. Ich stehe auf, dusche, rasiere mich, steige in eine alte Jeans und ziehe ein altes T-Shirt über. Ich gehöre zu denen, die keine Shorts, sondern enge Unterhosen tragen. Außerdem bevorzuge ich kniehohe weiße Fußballersocken mit dunkelblauen Bündchen am Saum. So ist es immer gewesen und wird es immer sein.
    Sechs fünfunddreißig: Ich bin fertig mit den Rice Crispies, spüle Schale und Löffel und lege sie zum Trocknen auf das verschossene grüne Geschirrtuch, das neben der Spüle aus Edelstahl ausgebreitet liegt. Sechs fünfzig: Ich gehe zur Arbeit in die Kfz-Werkstatt, wo ich einen ölverschmierten blauen Overall anziehe und unter ein Auto krieche. Ich bin handwerklich geschickt und finde darum überall Arbeit. Aber mein Platz ist unter einem Auto. Mit Kunden will ich nichts zu tun haben, so etwas liegt mir einfach nicht.
    Ich arbeite bis sechs und habe mittags eine Stunde Pause. Ein langer Tag mit Überstunden, aber nur so komme ich auf meinen Schnitt, und, wie gesagt, ich bin geschickt mit den Händen und rede nicht viel, weshalbich mit meinen Bossen in der Regel gut auskomme. Nach der Arbeit gehe ich nach Hause. Zum Abendessen mache ich mir meistens Ravioli warm. Dazu eine Folge
Seinfeld
. Gegen zehn dann ab ins Bett.
    Aus gehe ich nie. Ich besuche keine Bars und sehe mir auch keine Filme mit Freunden im Kino an. Ich esse, schlafe und arbeite. Für mich ist jeder neue Tag genau so wie der davor. Ein Leben ist das wohl nicht. Eher ein Existieren.
    Die Psychos haben einen Begriff dafür:
als-ob-normal
. Wie man anders leben könnte, weiß ich nicht.
    Ich nehme einen weiteren Löffel Crispies, kaue, schlucke und wiederhole das Ganze.
    Es klopft wieder an der Tür.
    Das Licht ist ausgeschaltet. Meine Vermieterin, Mrs   H.,
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