Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur
Autoren: Lisa Gardner
Vom Netzwerk:
nicht gedacht habe. Die Erinnerung ist so flüchtig wie ein Duft: Rosenblätter vor meinem Schlafzimmerfenster, zertreten, welk und halb verdorrt in der Hitze Georgias. Mamas Stimme hallt durch den dunklen Flur:
«Ich weiß was, was du nicht weißt   …»
    «Pst, pst», flüstere ich jetzt. Ich fahre mir mit der Hand über den Bauch und finde, dass ich zu viele Gedanken auf Dinge verschwende, die ich seit Jahren zu vergessen versuche.
    «Pst, pst, pst», flüstere ich wieder.
    Und dann ist etwas unten vor der Treppe zu hören   …
     
    In den letzten Momenten, ehe die Welt, wie ich sie kannte, endete, würde ich Ihnen gerne erzählen können, dass ich draußen im Dunkeln eine Eule rufen hörte. Oder dass ich eine schwarze Katze über den Zaun habe springen sehen. Oder dass ich gespürt habe, wie sich mir die Nackenhaare sträubten.
    Ich wünschte, ich könnte Ihnen sagen, dass ich die Gefahr erkannt und wie von Sinnen gekämpft habe. Denn gerade ich sollte doch wissen, wie schnell sich Liebe in Hass verkehrt, Begehren in Besessenheit. Gerade ich hätte es kommen sehen müssen.
    Aber ich habe es nicht.
    Und als – Gott steh mir bei – sein Gesicht aus dem Schatten vor meiner Tür auftauchte, ging mir spontan durch den Kopf, dass er immer noch so gut aussieht wie damals, als wir uns das erste Mal begegnet sind, und dass ich wieder einmal Lust verspürte, mit dem Finger sein Kinn nachzuzeichnen und ihm mit der Hand ins Haar zu greifen   …
    Als ich dann bemerkte, was er in der Hand hielt, dachte ich: Jetzt bloß nicht schreien. Ich musste meine Tochter schützen, meinen kostbaren Liebling, der nebenan im Bett lag und schlief.
    Er betrat den Raum, hob beide Hände.
    Ich schwöre, ich gab keinen Laut von mir.

2.   Kapitel
    Sergeant Detective D.   D.   Warren war verrückt auf All-you-can-eat-Buffets. Es ging ihr dabei weniger um Spachtelmassen wie Pasta oder darum, besonders viel vom Braten zu ergattern. Nein, mit den Jahren hatte sie sich eine sehr viel feiner abgestimmte Strategie angeeignet: Phase eins, die Salatbar. Nicht, dass sie ein Fan von Eisbergsalat gewesen wäre. Weil sie jedoch als alleinstehender Workaholic Ende dreißig im eigenen Kühlschrank eher Essen vorfand, dessen Haltbarkeitsdatum abgelaufen war, und auch nicht an Skorbut erkranken wollte – was sie mit ihren Essgewohnheiten durchaus riskierte   –, bestand der erste Gang also in der Regel aus frischem Grünzeug.
    Phase zwei: dünngeschnittenes Fleisch. Truthahn war okay, Schinken mit Honigkruste schon eine klare Steigerung, Roastbeef eindeutig die Krönung. Sie mochte es kirschrot in der Mitte und vor Blut triefend. Wenn ihr Fleisch, von der Gabel aufgespießt, nicht zuckte, hatte jemand in der Küche ein Verbrechen begangen.
    Sie aß es allerdings trotzdem. Allzu viel durfte man von All-you-can-eat-Buffets eben nicht erwarten.
    Also ein bisschen Salat, danach ein paar dünngeschnittene Scheiben Roastbeef. Ignorante Trottel hätten sich daraufhin unweigerlich für Kartoffeln als Fleischbegleiter entschieden. Ausgeschlossen! Als Sättigungsbeilage eigneten sich viel eher mit Cracker-Bröseln panierte Petersfischfilets, vielleicht drei oder vier Jakobsmuscheln und natürlich eisgekühlte Shrimps. Aber auch sautiertes Gemüse käme in Frage, etwa eine kleine Portion von der Brechbohnen-Kasserolle mit knusprig gebratenen Zwiebeln obendrauf. Perfekt.
    Das Dessert war natürlich ebenfalls eine sehr wichtige Etappe im Selbstbedienungsprocedere. Käsekuchen fiel in dieselbe Kategorie wie Kartoffeln und Pasta   – Anfängerfehler, Finger weg! Besser war es, mit einer Cremespeise oder einem Früchtecocktail zu beginnen. Und für einen Wackelpudding blieb dann immer noch Platz. Oder auch für eine Mousse au Chocolat. Und eine Crème brulée. Mit Stachelbeeren garniert – der Hammer.
    Ja, sie würde sich für Crème brulée entscheiden.
    Schade nur, dass es erst sieben Uhr in der Frühe war und das einzig Essbare in ihrem Loft im North End ein Päckchen Mehl.
    D.   D. wälzte sich in ihrem Bett auf die Seite, spürte den Magen grummeln und versuchte sich einzureden, dass nur dieser Teil von ihr Hunger hatte.
    Draußen hinter den Fenstern war der Morgen grau. Wieder so ein kalter, ungemütlicher Märztag. Normalerweise wäre sie schon auf den Beinen und auf dem Weg ins Präsidium, aber sie hatte gestern einen Fall abgeschlossen,mit dem sie intensive zwei Monate beschäftigt gewesen war: die Exekution eines aufstrebenden Drogendealers,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher