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Ohne Ende Leben - Roman

Ohne Ende Leben - Roman

Titel: Ohne Ende Leben - Roman
Autoren: Libba Bray
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kurzzeitiger Zufluchtsort gefunden wird, ich den Jazz nicht kapiere und mich mit meinem Arschloch von Vater unterhalten muss
     
    Eubie’s Hot
Wax
-Plattenladen liegt einen Block von der Uni entfernt, eingerahmt von einem Kiffershop, der sich als ein Laden tarnt, der Räucherstäbchen und Kerzen verkauft, und einem Kunstatelier, das für seine Auswahl an Buntglaskatzen berühmt ist. Der Plattenladen ist eine kleine Oase von Tönen, die mit dem Gedröhne in den Mega-Musicstores nichts gemein haben. Es ist mein Lieblingsplatz in dieser verstaubten texanischen Stadt.
    Bei
Eubie’s
gibt es keine Riesenaufsteller, die den neuesten Erguss eines schmolllippigen Nymphchens ankündigen. Kein Tambourmajor aus dem College verdient hier sein Trinkgeld, indem er protzige Sprüche ausposaunt wie: »Ja, sicher, ich nehm an, dass die
Copenhagen Interpretation
als Band ganz okay ist, aber sie wäre ein Nichts, wenn nicht
Pet Sounds
von den
Beach Boys
zuerst auf den Markt gekommen wär.«
    Überall stehen einfach nur Kisten über Kisten mit LPs und CDs jüngerer Rockbands, gemischt mit Jazz und neuem Zeugs, wie meinem ganz persönlichen Favoriten,
Great Tremolo
. Seine Songs über die Mühen des Lebens sind nur für Blockflöte und Ukulele geschrieben. Und: Er hat die höchste Stimme, die ich je von einem Kerl gehört habe.Wenn er diesen umwerfenden Ton anstimmt, verlier ich mich einfach – ich kann mir nicht helfen.
    Zuerst begegnete mir
Great Tremolo
in einer dieser Radioshows, die nur freakigen Mist spielen und wo du drauf schwören kannst, dass die Produzenten diese Scheiße während ihrer Pinkelpause in die Welt gesetzt haben. Gerade als ich mit meinen Headphones auf dem Bett rumlag – mit denen, die ich mit Weltraumstickern von Disneys
Tomorrowland
dekoriert habe   –, gerade da ließ der DJ die Nadel auf
Great Tremolo
fallen, und ein Song namens
Para Mí He Visto Ángeles
war zu hören, was dem Booklet der CD nach so viel heißt wie »Weil ich Engel gesehen habe«. Ich setzte mich kerzengerade auf und lachte. Es ist, als ob die Stimme von
Great Tremolo
aus den Tiefen des Weltalls kommt, und wenn er singt, weint er fast, aber das ist ein glückseliges Weinen – wenn das überhaupt irgendeinen Sinn macht. Im Ernst, ich glaub, wenn du so was hörst, da muss doch einfach die ganze Scheiße aus deinem Hirn verschwinden – oder etwa nicht?
    Great Tremolo
hat an die zwanzig Alben veröffentlicht und mit Eubies Hilfe schaffte ich es, sieben davon zu bekommen. Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass es da draußen einen noch größeren Loser als mich gibt, und, glaub mir,
Great Tremolo
ist ein totaler Loser, der gegen die akustischen Windmühlen ankämpft, emotional gesehen.
    Die Ladenglocke über der Tür läutet, als ich zu
Eubie’s
reingehe, und Eubie schaut von seinem Hochsitz hinter der Theke auf, wo er gerade den Laden-DJ gibt. Er lächelt mir freudig zu.
    »Heeeey, Camrun, wo warst du denn die ganze Zeit, mein Freund?«
    »Nirgendwo«, sage ich und steig die Stufe zur Ladenthekehoch. Eubie lässt sich einen kleinen Kinnbart wachsen. Sieht gut aus, mit seinen Rastalocken und seinem quietschbunten T-Shirt mit dem aufgedruckten Gesicht eines bekannten Reggaestars.
    »Nirgendwo ist ein schlechter Platz zum Bleiben. Ich war schon dort. Wie kommt’s eigentlich, dass du keine Freundin hast?«
    Ich greife mir ein kostenloses Anzeigenblatt, ohne darin lesen zu wollen. »Ach, weißt du, der Cam-man ist dafür bestimmt, von vielen benutzt, aber von keiner gehalten zu werden.«
    Eubie lacht. Seine Lache klingt wie eine Maschinengewehrsalve, die durch Samt ballert. »Das ist ne schöne Scheiße, Mann. Tu dir selbst einen Gefallen, mein Freund. Verlass den Laden und geh ein bisschen leben.«
    »Ich lebe. Ein bisschen. Hast du einen neuen
Tremolo
für mich?«
    »Komm mit nach hinten.«
    Eubie führt mich durch den lila Vorhang in den hinteren Teil des Ladens, wo die Angestellten ihre Pause machen. Kein großer Raum. Ein paar Stühle. Ein langer Tresen, vollgepackt mit Fast-Food-Verpackungen und Rucksäcken. An der Wand hängt ein großes Pinnbrett aus Kork, voll mit Fotos von Mitarbeitern in Halloween- und Weihnachtskostümen. Kontrollabschnitte von Konzertkarten und ausgebleichte Flyer sind übereinander an seltsamen Haken aufgespießt.
    Auf einem herausgerissenen Notizblatt sucht eine Wagenladung von Leuten Mitfahrgelegenheiten zur
YA! Frühlingsferienparty –
Mardi-Gras-Girlanden hängen an Reißzwecken neben einem Foto von Eubie
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