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Ohne Beweis (German Edition)

Ohne Beweis (German Edition)

Titel: Ohne Beweis (German Edition)
Autoren: Petra Mehnert
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sie wie so oft zum Plüderhausener Badesee gefahren, wohl wissend, dass sie höchstwahrscheinlich keinen Parkplatz mehr bekommen und dicht an dicht mit anderen Badegästen würde liegen müssen. Carolin liebte mehr die Einsamkeit und so war sie, was sie seit ein paar Wochen mehrmals in der Woche tat, zum Mühlenhof hinauf geradelt, um ihre neuen Freunde Johann und Maria zu besuchen. Der Bauer war für seine siebzig Jahre noch recht rüstig und mit seiner drahtigen Figur und dem Dreitagebart sah er deutlich jünger aus. Seine zehn Jahre ältere Frau dagegen war eine abgeschaffte Bäuerin und auch schon sehr kränklich. Besonders in der letzten Zeit hatte sie stark abgebaut und es ging ihr immer schlechter. Wahrscheinlich das Herz, obwohl sie regelmäßig ihre Herztabletten nahm.  
    „Schöner Blick von hier oben, nicht wahr?“, hörte Carolin plötzlich die Stimme des Bauern hinter sich. Lächelnd drehte sie sich um.  
    „Ja, wirklich traumhaft schön. Ich liebe einfach den freien Blick auf den Hohenstaufen. Beim Blick von meiner Terrasse zu Hause aus steht mir immer so ein blöder Strommast im Weg. Wie geht es Maria? Sie verträgt die Hitze wohl nicht so gut?“, fragte Carolin besorgt, denn heute Nachmittag war Maria sehr blass und ziemlich kurzatmig gewesen.  
    „Sie schläft jetzt. Wenn es kühler wird, geht es ihr meist wieder ein bisschen besser. Ihr Herz macht halt nicht mehr so mit, da helfen die Herztabletten auch nichts. Aber achtzig ist ja auch ein stolzes Alter und wenn man so viel geackert hat wie meine arme Maria, dann ist man irgendwann einfach kaputt und abgeschafft“, meinte Johann nur und setzte sich neben seine hübsche Besucherin. Zu nah, wie Carolin fand und so rückte sie vorsichtig ein wenig von ihm ab.  
    „Puh! Ist das heiß hier in der Sonne“, stöhnte Carolin, um das Abrücken damit zu erklären. Sie wollte Johann nicht kränken, denn eigentlich fand sie ihn sehr anziehend, aber er war schließlich verheiratet und seine Frau war zudem auch noch krank. Nein, sie würde nicht zulassen, dass Johann ihr zu nahe kam.  
    „In meinem Alter verträgt man die Sonne wirklich nicht mehr so gut“, plapperte Carolin weiter, doch der Bauer fuhr sich kurz durch die halblangen grauen Haare und lehnte sich genüsslich nach hinten. 
    „Also mir macht die Hitze nichts aus – im Gegenteil. Je wärmer, desto besser.“ 
    Für deine alten Knochen, wahrscheinlich, dachte Carolin, doch laut meinte sie: „Du bist die Arbeit an der Sonne ja auch gewöhnt. Ich arbeite den ganzen Tag in einem Büro oder in der Bücherstube. Wenn ich dann mal draußen bin, gehe ich immer in den Schatten. Ist besser für die Haut – kriegt man weniger Falten“, lächelte Carolin und hatte dabei tatsächlich nur kleine Lachfältchen um die Augen. Johanns Haut war sonnengebräunt und wesentlich faltiger, aber dennoch sah er sehr gut aus.  
    „Stimmt, du siehst für dein Alter wirklich noch sehr jugendlich aus“, schnurrte Johann und rückte wieder näher.  
    „Danke für das Kompliment, das kann ich auch gerne zurückgeben. Aber ich muss jetzt los. Ich habe versprochen, heute Abend noch ein bisschen in der Bücherstube zu arbeiten. Wir sind doch in den letzten Zügen beim Aufbauen der Regale. Bald geht`s ans Einräumen. Das wird noch viel Tragearbeit, wenn wir die bei unseren Lesern ausgelagerten Bücher wieder zurückholen müssen“, jammerte Carolin, die vom Ausräumen der Bücher im Frühjahr immer noch einen schmerzenden Ellenbogen hatte.  
    „Soll ich euch helfen? Ich hab immer noch viel Kraft und Ausdauer!“, sagte der alte Mann und betonte vor allem das Wort „Ausdauer“ in zweideutiger Weise.  
    „Danke, das ist lieb gemeint, doch die Turner der Seniorengruppe vom Turnverein haben sich wieder bereit erklärt zu helfen. Sollten wir dennoch deine Hilfe benötigen, werde ich auf dein Angebot gerne zurückkommen. Kümmere du dich lieber um deine kranke Frau“, konnte sich Carolin nicht verkneifen zu sagen.  
    „Ja, ja, das mach ich doch sowieso ständig. Keine Sorge“, grummelte Johann und Carolin hörte deutlich, dass es ihm langsam zuwider war, sich um seine kränkliche Frau kümmern zu müssen. Aber da musste er durch. Wenn man eine zehn Jahre ältere Frau heiratet, kann man im Normalfall davon ausgehen, dass sie vor einem stirbt.  
    „Ich geh dann mal, Johann. Ich wünsch dir trotzdem noch einen schönen Abend und grüß mir die Maria von mir, ja?“ 
    „Mach ich, liebe Carolin, mach ich.
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