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Ohne Beweis (German Edition)

Ohne Beweis (German Edition)

Titel: Ohne Beweis (German Edition)
Autoren: Petra Mehnert
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zwinkerte mir doch glatt verschwörerisch zu. Sie wusste, dass mein Chef dies aus seiner Position heraus nicht sehen konnte. Aber … was hatte das zu bedeuten? Was wollte sie von mir? 
    Carmen kam trotzdem fast jeden Tag bei uns vorbei. Geschickt wartete sie ab, bis mein Vorgesetzter außer Sichtweite war, bevor sie sich mir näherte. Langsam fing ich an, mich an sie zu gewöhnen und ertappte mich bald dabei, wie ich begann, auf sie zu warten. Wir redeten nicht viel und beschränkten uns darauf, uns gegenseitig anzuschauen und uns einfach am Anblick des anderen zu erfreuen. Was irgendwie seltsam war, denn was konnte sie schon an mir finden? Ich war verdreckt, verschwitzt, unrasiert und ungekämmt und ich konnte mich nicht mit ihr unterhalten! Sie jedoch war wirklich klasse und ihr Geruch war betörend … 
    „Wann hast du heute Feierabend, Kamil?“, fragte sie plötzlich eines Abends und setzte sich neben mich auf die bereits fertigen Stufen am Rathaus.  
    „Feierabend?“, fragte ich dümmlich. „Was bedeuten das?“ 
    „Wann du aufhörst zu arbeiten … äh … wann du frei hast?“, versuchte sie zu erklären und lächelte mich dabei schüchtern an. 
    „Oh … ja … wir aufhören, wenn dunkel wird.“ 
    „Och, so spät erst? Wann fangt ihr morgens denn an?“, fragte sie ein bisschen geschockt und ich fragte mich, warum. Ihre Nähe machte mich zusehends nervöser und ich musste höllisch auf meine Finger aufpassen.  
    „Wenn hell wird“, sagte ich und das schien sie nun wirklich aus der Fassung zu bringen.  
    „Das ist ja Sklaventreiberei, was hier betrieben wird!“, schimpfte sie und erschreckte mich mit ihrer plötzlich sehr lauten Stimme. Ich wusste nicht, was dieses komische Wort bedeuten sollte, doch ihr Ärger musste wohl mit unserer langen Arbeitszeit zusammenhängen.  
    „Pssst“, zischte ich. „Meine Boss!“ 
    „Oh … sorry, aber da habt ihr ja einen Siebzehn-Stunden-Tag! Das kann man doch nicht machen!“, entrüstete sie sich wieder und ich musste erst mal nachrechnen, ob das stimmte. Doch – das kam so ungefähr hin. Wie konnte ich ihr erklären, dass wir Saisonarbeiter waren und unser Geld in nur ein paar Monaten verdienen mussten? 
    „Echt schade, dann können wir uns ja gar nicht mal auf ein Bierchen treffen, oder?“, fragte sie mit traurigem Blick und ließ den Kopf hängen. Ich musste mich sehr zusammenreißen, um ihr nicht unters Kinn zu fassen und ihren Kopf wieder anzuheben.  
    Was? Sie wollte sich mit mir treffen? Aber warum denn nur? 
    „Sorry, aber ich abends immer sehr müde“, murmelte ich und war erstaunt, dass auch meine Stimme einen bedauernden Unterton hatte. Wollte ich denn überhaupt mit ihr auf ein Bier gehen? 
    „Das verstehe ich … voll und ganz! Aber trotzdem ist es schade, finden Sie nicht?“, fragte sie mit einem koketten Augenaufschlag, der mich etwas aus der Fassung brachte. Oder sollte ich doch mal mitgehen? Schlafen konnte man, wenn man tot war. Und ich war noch nicht tot – im Gegenteil! Ich hatte mich schon lange nicht mehr so lebendig gefühlt. Warum also nicht? Mit neuem Mut suchte ich nach den richtigen Worten.  
    „Morgen Boss ist nicht da. Mache früher Ende“, fing ich zaghaft an, doch Carmen strahlte bereits übers ganze Gesicht.  
    „Super! Ich hole Sie ab und dann machen wir einen Spaziergang zum Buchs!“, rief sie begeistert, doch als sie mein verständnisloses Gesicht sah, lachte sie und erklärte: 
    „Der Buchs ist ein Landgasthof … also … äh … ich meine, ein Restaurant, wo man was trinken und essen kann. Sie verstehen?“ 
    „Ja, ich verstehe. Dann morgen Abend – ich warten, aber ich haben keine gute Anzug“, warf ich verlegen ein, doch Carmen winkte nur ab: „Brauchen Sie auch nicht. Geht auch in der Jogginghose … Bis morgen dann – ich freu mich!“, rief sie noch und war vor dem Erscheinen meines Chefs um die Ecke verschwunden.  
    Uff, das war knapp! 
     
    Am nächsten Tag kam Carmen wirklich kurz nach einundzwanzig Uhr in einem luftigen Sommerkleidchen angerauscht und ich konnte es nicht verhindern, dass ich einen anerkennenden Pfiff ausstieß. Eine leichte Röte erschien auf ihren Wangen und ließ sie um Jahre jünger aussehen. 
    „Na, na, Herr …? Wie heißen Sie eigentlich mit Nachnamen?“ 
    „Rodzinsky, Madam“, antwortete ich und versuchte so galant wie möglich zu klingen. Hoffentlich beobachteten mich meine Kollegen nicht. Ich hatte ihnen ja sagen müssen, dass ich heute
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