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Ohne Beweis (German Edition)

Ohne Beweis (German Edition)

Titel: Ohne Beweis (German Edition)
Autoren: Petra Mehnert
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und sie setzte sich mit einem Kaffee gegenüber auf die gerade ebenfalls im Bau befindlichen neuen Stufen, die bald zur Raiffeisenbank hinaufführen sollten. Von hier aus beobachtete sie die braungebrannten Männer bei ihrer eintönigen Arbeit. Obwohl die Pflasterungen recht flott vorangingen, würde es wohl noch ein paar Wochen dauern, bis die Kunden über diese neue Treppe auch in die neu gestalteten Räume der nebenan liegenden Raiffeisenbank gehen konnten.  
    Einer dieser Männer schaute immer wieder zu ihr herüber. Obwohl die Frau bereits graue Haare hatte, die ihr bis über die Schultern hingen, sah sie noch sehr attraktiv aus. Trotz ihrer schlabberigen und angestaubten Arbeitskleidung und den etwas zerzausten Haaren konnte der polnische Arbeiter erkennen, dass sie durchtrainiert war. Während er weiter Stein um Stein aneinanderreihte, brachte ihn die Nähe dieser tollen Frau immer mehr aus dem Konzept. Er wurde abgelenkt und klopfte sich mit seinem Hammer auf die Finger. Ihm entfuhr dabei kein Schmerzensschrei, aber von der Frau hörte er ein entsetztes Zischen. Es hörte sich an, als hätte sie die Schmerzen. Er lächelte sie kurz achselzuckend an, bevor er hastig weiterarbeitete. Sein Vorgesetzter hatte ihm bereits einen tadelnden Blick zugeworfen und der Pole, der auf den Namen Kamil Rodzinsky hörte, durfte sich keine weiteren Fehler erlauben. Er brauchte diesen Job dringend und außerdem hatte er hier in Ottenbach noch etwas äußerst Wichtiges zu erledigen. So zwang er sich, nicht mehr zu der flotten Grauhaarigen hinüberzuschauen. 


     
    Was will diese Frau nur von mir? 
    Diese Frage stellte ich mir immer wieder, während ich versuchte, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Gerade heute hatte ich das Gefühl, dass ihre Blicke immer intensiver wurden, oder bildete ich mir das nur ein? In meinen Tagträumen begann ich mir vorzustellen, wie sie sich wohl anfühlte, wie sie roch und wie sie schmeckte. 
    Nein ! 
    Ich durfte mich nicht weiter ablenken lassen! Mein Vorarbeiter hatte mich schon auf dem Kieker und ich musste höllisch aufpassen, dass ich mir nicht wieder auf die Finger schlug – zumal das wirklich nicht gerade angenehm war! Aber diese Frau machte mich echt nervös. Was konnte ich tun, damit sie nicht mehr jeden Tag hier in meiner Nähe herumlungerte? Mein Deutsch war beschissen und mein Englisch auch nicht besser. Wie konnte ich ihr klar machen, dass sie mich in Ruhe meine Arbeit machen lassen sollte?  
    Verdammt!  
    Jetzt kam sie auch noch näher! Wo war mein Chef? Hastig sah ich mich nach ihm um, konnte ihn jedoch nirgends entdecken. Trotzdem gab ich vor, konzentriert zu arbeiten und sie gar nicht zu bemerken.  
    „Hallo“, sagte sie mit dunkler Stimme, die irgendwie schüchtern klang.  
    „Hallo“, gab ich zurück und riskierte nur einen kurzen Blick in große rehbraune Augen. Mist ! 
    „Toll, wie akkurat sie alle hier arbeiten“, sagte die Frau und kam noch ein Stückchen näher. Ich konnte den Sinn der Worte nicht ganz verstehen, aber ihr bewundernder Blick sollte wohl meiner Arbeit gelten. Zum Glück hatte sie nichts über mich gesagt. 
    „Ja – gute Arbeit“, erwiderte ich nur und gab vor, konzentriert weiterzumachen, doch die nächsten Quader lagen plötzlich schief und krumm in ihrem Sandbett. Scheiße! Wenn das mein Boss sah, würde er durchdrehen. Schnell holte ich die Dinger wieder heraus und versuchte es erneut. Mein Gott! Wie sollte ich mich konzentrieren, wenn diese tolle Frau so dicht neben mir stand? Wie konnte ich sie wieder loswerden?  
    Doch diese Entscheidung wurde mir augenblicklich abgenommen, als der Vorarbeiter um die Ecke kam und sich drohend vor mir aufbaute: 
    „Was ist hier los, Kamil? Was macht diese Frau hier?“ 
    „Entschuldigung! Diese Frau heißt Carmen Lechner und ich bin schon weg“, stammelte sie. „Ich wollte wirklich nicht stören, aber ich bin so begeistert von Ihrer Arbeit. Wir konnten uns das vorher gar nicht so schön vorstellen. Wirklich erstklassige Arbeit“, setzte sie noch schmeichelnd hinzu, was den Unmut meines Bosses etwas zügelte. Carmen hieß sie also … 
    „Danke, aber nun lassen Sie bitte den Mann weiterarbeiten, sonst werden wir nie fertig“, gab mein Boss nun doch freundlicher zurück. Es war mir eine Genugtuung, dass auch er sich dem Charme dieser Frau nicht ganz entziehen konnte.  
    „Schon gut, schon gut. Ich geh ja schon und … einen schönen Abend noch!“, rief Carmen über die Schulter und
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