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Oelspur

Titel: Oelspur
Autoren: Lukas Erler
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Entschuldigung, ist Ihnen nicht gut?«
    Mit erstaunlicher Geschwindigkeit kam Geldorf hinter seinem Schreibtisch hervor, hievte mich aus dem Stuhl und schleppte mich zu einem der Fenster, das er mit einer schnellen Bewegung aufstieß. Böige, nasskalte Luft schlug mir entgegen und half tatsächlich, die wie eine Welle heranrollende Übelkeit abzuschwächen. Ich atmete mehrmals, so tief ich konnte, durch und hielt mich dabei am Fensterbrett fest.
    »Danke!«
    »Oh, gerne«, sagte Geldorf, »Hauptsache, Sie kotzen nicht in mein Büro.«
    Mein Magen brannte wie Feuer, und hinter meinen Augen machte sich ein dumpfer Schmerz breit.
    »Sind Sie sicher, dass es ein natürlicher Tod war, ich meine, haben Sie die Ermittlungen schon abgeschlossen?«
    »Nein, haben wir nicht«, sagte Born, »aber es sieht alles nach einem plötzlichen Herztod aus. Keine inneren oder äußeren Verletzungen, nicht einmal Kratzer oder blaue Flecken. Nicht die geringsten Hinweise auf irgendeine Form von Gewaltanwendung. Die Kleidung war ordentlich zusammengelegt, und die Saunatür war von innen jederzeit zu öffnen.«
    »Sie war kerngesund!«
    Woher wollte ich das wissen? Ich hatte ja noch nicht einmal gewusst, dass sie gelegentlich in die Sauna ging.
    »Wir haben das Ganze einigermaßen rekonstruiert«, sagte Geldorf. Er schlug einen schmalen Aktenordner auf und begann, den Inhalt zusammenzufassen: »Sie hat zwischen sieben und acht Uhr an der Bar des Fitnessclubs gesessen und was getrunken. Es war ziemlich was los. Einige der Gäste, die sie überhaupt bemerkt haben, sagten aus, dass sie sich mit einem Mann, der neben ihr saß, unterhalten hat. Gegen acht ist sie aufgestanden und war offenbar unsicher auf den Beinen. Der Mann hat sie etwas gestützt, und sie sind zusammen in Richtung Toiletten rausgegangen.«
    »Was für ein Mann? Vielleicht weiß er, was passiert ist. Haben Sie mit ihm gesprochen?«
    »Nun mal langsam!«
    Geldorf schien besorgt um meinen Geisteszustand, und ich riss mich zusammen, so gut ich konnte.
    »Natürlich versuchen wir den Mann zu finden. Bis jetzt allerdings ohne Erfolg. Er hat sie möglicherweise als Letzter lebend gesehen, aber er ist kein Verdächtiger. Es gibt ja kein Verbrechen. Warum sie noch einen Saunagang machen wollte, wissen wir nicht. Vielleicht wollte sie den Alkohol ausschwitzen, wieder einen klaren Kopf bekommen. Um halb zwölf Uhr kommt ein Reinigungsdienst. Der hat sie gefunden. Sie hat ganz friedlich dagelegen. Die Augen geschlossen, wie wenn sie kurz eingenickt wäre.«
    Ich saß da, versuchte verzweifelt, mich zu konzentrieren, und begriff immer weniger, je länger ich ihnen zuhörte. In meinem Kopf war ein weißes Rauschen, das langsam stärker wurde.
    »Ich will sie sehen!«
    »Sie ist noch in der Gerichtsmedizin. Ich denke, Montagmittag wird der Leichnam freigegeben«, sagte Born, »dann können Sie sie sehen. Haben Sie einen Ausweis dabei?«
    »Ja. Kann ich auch in die Wohnung? Ich habe einen Schlüssel.«
    Born und Geldorf sahen sich an und schienen sich kurz abzustimmen. Geldorf nickte.
    »Ich schicke jemanden hin, der das Siegel entfernt. Wir haben die Wohnung durchsucht und vorsichtshalber versiegelt, weil Frau Jonas eine ziemlich bekannte Journalistin war.«
    »Sie kannten sie?«
    »Oh, ja!«
    Ich wollte weiterfragen, aber Geldorf war aufgestanden und schien das Gespräch für beendet zu halten.
    »Wo ist dieser Fitnessclub?«
    »Sie bleiben in der Stadt?«, fragte Born.
    »Wo ist der Fitnessclub?« Fragen ignorieren konnte ich auch.
    »Norddeich 5«, sagte Geldorf, »und lassen Sie uns wissen, wo wir Sie erreichen können.«
    Ich machte, dass ich rauskam. Niemand hielt mich auf, niemand kümmerte sich um mich. Als ich ins Freie kam, war der Himmel aufgeklart. Eine zaghafte Aprilsonne tauchte den Parkplatz neben dem Gebäude in ein milchiges Nachmittagslicht, und mein Verstand machte sich Stück für Stück davon.

Vier
    D
    er Barmann zuckte die Schultern und schob mit zwei Fingern ein Bitter Lemon in meine Richtung. Er war groß, schön und cool.
    »Ich hatte Donnerstagabend keinen Dienst. Mirko war hier.«
    »Wo finde ich Mirko?«
    »Den brauchen Sie nicht zu suchen. Der ist um Punkt sechs Uhr hier, wenn er den Job behalten will.«
    Die Bar des Fitnessclubs war ziemlich groß, gut besucht und durch eine Glaswand vom Kraftraum abgetrennt. Dort trainierten etwa fünfzig Menschen bei heftiger Technobeschallung an Geräten, von denen ich die meisten noch nie gesehen hatte. Der Barraum selbst
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