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Oelspur

Titel: Oelspur
Autoren: Lukas Erler
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Taxifahrer mir mit dem Wechselgeld in die Hand gedrückt hatte, und wählte die angegebene Handynummer.
    Frierend wartete ich fast zwanzig Minuten auf das Taxi und versuchte, mir darüber klar zu werden, was ich tun sollte. Als der Wagen neben mir hielt, hatte ich eine Entscheidung getroffen.
    »Fahren Sie mich zum nächsten Polizeirevier!«
    Es war der gleiche Fahrer, der mich hierher gefahren hatte, nur dass er jetzt ziemlich misstrauisch aussah.
    »Irgendwas nicht in Ordnung gewesen bei Ihrem Besuch?«
    »Keine Ahnung.«
    Überhaupt nichts war in Ordnung. Und ich hatte durchaus eine Ahnung. Eine schlechte, um genau zu sein.
    Das Polizeirevier in der Innenstadt war ein moderner Bürokomplex mit viel Glas und Beton. Ich gelangte durch eine Drehtür in die Eingangshalle, von der eine Vielzahl von Fluren in alle Richtungen abgingen. Hinter einem mit Glas verkleideten Schalter mit der Aufschrift »Information« saß eine junge Polizistin, die mich neugierig musterte, als ich näher kam.
    »Hallo«, sagte ich, »vielleicht können Sie mir helfen. Ich wollte heute Nachmittag jemanden besuchen und musste feststellen, dass die Wohnungstür polizeilich versiegelt war. Na ja, und nun möchte ich gern wissen, was da los ist.«
    »Welche Straße?«
    »Abteistraße 15, die Wohnung gehört Helen Jonas.«
    »Moment, bitte.« Die Polizistin griff zum Telefonhörer und wählte eine kurze Nummer.
    »Ich glaube, hier ist jemand für Kommissar Geldorf … Okay, mach ich.«
    Sie legte auf und lächelte mich freundlich an.
    »Sie können mit den zuständigen Beamten sprechen. Gehen Sie den Flur da vorn rechts bis zur letzten Tür. Der Name steht dran.«
    Ich folgte dem Flur bis zu einer Tür mit dem Namensschild: KOK Geldorf. Nach kurzem Klopfen betrat ich einen hell eingerichteten Büroraum, in dessen Mitte ein großer Schreibtisch stand, hinter dem ein dazu passend großer Mann saß. Kommissar Geldorf, der jetzt aufgestanden war, hatte mindestens die Größe von Michael Jordan, nur dass er etwa zweimal so viel wog. Er hatte kurz geschnittenes, blondes Haar und einen gutmütigen Gesichtsausdruck. Auf seiner Nase zeichnete sich ein filigranes Muster von blauroten Äderchen ab, für das er eigentlich noch etwas zu jung war. Seine Stimme war dröhnend und jovial.
    »Mein Name ist Geldorf. Was kann ich für Sie tun?«
    »Nyström. Ich komme wegen der Wohnung in der Abteistraße, die Sie versiegelt haben.«
    »In welcher Beziehung stehen Sie zu der Bewohnerin?«
    »Wir sind befreundet. Schon ziemlich lange. Hören Sie, ich möchte gerne wissen, was …«
    »Setzen Sie sich«, sagte Geldorf und zeigte mit einer einladenden Bewegung auf einen großen Stuhl vor seinem Schreibtisch. Er selbst zwängte sich in seinen riesigen Kunstledersessel zurück und sah mich neugierig an.
    »Ich will mich nicht setzen. Ich will wissen, was mit der Wohnung und mit Frau Jonas ist!«
    »Woher kommen Sie?«
    »Ich bin vor etwa einer Stunde aus München angekommen und habe die Wohnung von Frau Jonas versiegelt vorgefunden. Und ich will jetzt endlich wissen, was los ist.«
    »Es tut mir sehr leid«, sagte Geldorf. Sein Gesicht war nun völlig ausdruckslos. »Frau Jonas ist tot.«
    Mit einer ungeschickten Bewegung griff ich nach dem Stuhl, den er mir angeboten hatte, und schaffte es, mich hinzusetzten, bevor meine Beine nachgaben.
    »Was ist passiert?«
    Geldorf drückte auf die Taste einer Gegensprechanlage auf seinem Schreibtisch. Sekunden später öffnete sich die Tür, und ein junger Mann in Jeans und Flanellhemd kam herein. Er nickte mir zu und sah Geldorf fragend an.
    »Das ist Kommissar Born«, sagte dieser, zu mir gewandt, »er wird Ihnen erzählen, was wir über den Tod von Frau Jonas wissen.«
    Born hockte sich auf die Kante von Geldorfs Schreibtisch und warf mir einen mitfühlenden Blick zu.
    »Soweit wir bisher wissen, ist sie an einem plötzlichen Herzstillstand gestorben. In der Sauna. So was kommt vor, auch mit siebenunddreißig. Sie war ganz gut durchtrainiert, aber sie hatte immerhin 1,2 Promille im Blut, sagen die Pathologen. Hat sie öfter getrunken? Sudden Death, wie man so sagt. An sich kein schlechter Tod, ich meine: kein Altersheim, keine Schmerzen, keine Maschinen. Okay, okay …«
    Geldorf grunzte missbilligend. Offenbar hatte er meine Gesichtsfarbe richtig gedeutet. Born schien kurz irritiert und machte dann einfach weiter.
    »Der Todeszeitpunkt ist nicht ganz klar, wegen der Sauna, wissen Sie? Beeinflusst den Prozess der Leichenstarre.
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