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Öland

Öland

Titel: Öland
Autoren: Johan Theorin
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auf das Auto.
    Es war ein kleiner Ford. Nicht neu, aber Lack und Sommerreifen waren in tadellosem Zustand. Er parkte auf der Straße,
     neben der Auffahrt zum Backsteinhaus von Lena und ihrem
     Mann Richard, das zwar keinen Meerblick hatte, aber doch so
     nahe am Meer lag, dass Julia den Geruch von Salzwasser in
     der Luft schmecken konnte. Julia hörte lautes Lachen aus
     einem angelehnten Fenster und begriff, dass die Kinder zu
     Hause waren.
    »Eigentlich wollen wir ihn nicht verleihen … Wann bist du
     das letzte Mal gefahren?«, fragte Lena.
    Sie hielt noch immer die Autoschlüssel umklammert,
     hatte die Arme vor der Brust verschränkt.
    »Letzten Sommer«, sagte Julia und fügte schnell als Erinnerung hinzu: »Aber das ist auch mein Auto … zur Hälfte.«
     Ein kalter und feuchter Wind wehte vom Meer die Straße
     hinauf. Lena trug nur eine dünne Strickjacke über ihrem
     Kleid, lud Julia aber nicht ein, mit ins Haus zu kommen, um
     im Warmen weiterzureden, aber selbst wenn sie es getan
     hätte, wäre Julia niemals mitgekommen. Richard war zu
     Hause, und sie wollte weder ihm noch den Kindern begegnen.
    Richard war ein hohes oder ganz hohes Tier bei Volvo. Er
     hatte natürlich einen Dienstwagen, genau wie Lena, die Direktorin an der Grundschule auf der Insel Hisingen war.
    »Du brauchst es doch gar nicht«, sagte Julia mit fester
     Stimme. »Du hast es doch nur so lange behalten … solange ich
     nicht fahren wollte.«
    Lena sah wieder auf das Auto.
    »Ja, aber Richard hat seine Tochter jedes zweite Wochenende zu Besuch, und sie will …«
    »Ich bezahle dir das Benzin«, unterbrach Julia sie.
    Sie hatte keine Angst vor ihrer älteren Schwester, und außerdem hatte sie beschlossen, nach Öland zu fahren.
    »Das glaube ich dir, darum geht es nicht«, sagte Lena. »Aber
     ich habe ein ungutes Gefühl dabei. Das hat auch mit der Versicherung zu tun. Richard sagt, dass …«
    »Ich fahre doch nur nach Öland«, sagte Julia. »Und wieder
     zurück nach Göteborg.«
    Lena sah zum Haus hinauf, wo in fast allen Fenstern Licht
     brannte.
    »Gerlof möchte, dass ich komme«, fuhr Julia fort. »Ich habe
     gestern mit ihm telefoniert.«
    »Aber warum will er es ausgerechnet jetzt?«, fragte Lena
     und sprach weiter, ohne auf eine Antwort zu warten: »Wo
     willst du überhaupt wohnen? Du kannst nicht bei ihm im
     Heim schlafen, die haben keine Gästezimmer. Und das Sommerhaus in Stenvik ist verriegelt, wir haben Strom und Wasser abgestellt und …«
    »Da wird sich schon was finden«, unterbrach Julia sie
     schnell, gestand sich aber ein, dass sie tatsächlich nicht
     wusste, wo sie schlafen sollte. Darüber hatte sie sich noch
     keine Gedanken gemacht. »Aber ich kann es nehmen, ja?«
    Sie spürte, dass ihre Schwester bereit war nachzugeben
     und wollte schnell eine Antwort, bevor Richard aus dem Haus
     kam, um seine Frau zu unterstützen.
    »Ja …«, sagte Lena. »Dann nimm es halt. Ich will nur vorher
     ein paar Sachen rausholen.«
    Sie ging zum Auto, holte einige Unterlagen, eine Sonnenbrille und eine halbe Tafel Schokolade heraus.
     Sie kam auf Julia zu, streckte die Hand aus und ließ den
     Schlüsselbund los. Julia nahm ihn, und daraufhin gab Lena
     ihr noch etwas.
    »Nimm das mit. Dann können wir dich wenigstens erreichen«, sagte sie. »Ich habe gerade ein neues von der Schule
     bekommen.« Es war ein schwarzes Handy. Nicht unbedingt
     das kleinste Modell, aber klein genug.
    »Ich kann damit nicht umgehen«, gestand Julia.
    »Das ist ganz einfach. Es gibt eine PIN, die musst du vorher
     eingeben … die hier.« Lena notierte die PIN und die Telefonnummer auf einem Zettel. »Wenn du anrufen willst, tippst du
     einfach die Nummer ein, auch die Vorwahl, und drückst
     dann auf den grünen Knopf hier. Es ist noch ein bisschen Guthaben auf der Karte, danach musst du es selber bezahlen.«
    »Okay.« Julia nahm das Handy. »Danke.«
    »Ja … Fahr vorsichtig«, sagte Lena. »Und grüß Papa.«
    Julia ging zum Auto, setzte sich hinein, roch das Parfum
     ihrer Schwester und fuhr los.
    Es dämmerte bereits. Als sie über Hisingen nach Göteborg
     fuhr, überlegte sie, warum sie und Lena sich immer nur ein
     paar Sekunden in die Augen sehen konnten. Früher hatten
     sie sich sehr nahegestanden – Lena war der Grund gewesen,
     warum Julia damals nach Göteborg gezogen war. Ihr Verhältnis war getrübt seit jenem Freitag vor einigen Jahren, als
     Julia zum letzten Mal bei Lena und Richard zum
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