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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller
Autoren: Bastei Lübbe
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nutzen, aber schließlich tut er es, verdammt! Und alle wissen es. Na ja, zumindest die Lieferanten.
    Er verlässt seine stinkende Bude, geht nach oben ins Erdgeschoss und durchquert mit zusammengekniffenen Augen die leeren Räume. Das Tageslicht schmerzt. Trotzdem fällt ihm auf, dass mit dem Tageslicht etwas nicht stimmt - es sieht gelblich und staubig aus. Wilbur betritt das in grünem Marmor gehaltene Bad und drückt auf den vergoldeten Duschknopf. Die gleiche Ekelbrühe tröpfelt aus den fünf beweglichen Duschköpfen. Trotzdem wäscht er sich, so gut es eben geht, trocknet sich mit einem Handtuch aus echter Baumwolle ab und zieht sich einen mit dem Familienwappen - einem Adlerfang, der die Weltkugel hält - bestickten Morgenmantel über.
    Aus reiner Gewohnheit betätigt er den Knopf für die Domotik, um sich etwas zu essen bringen zu lassen, denn er muss feststellen, dass er großen Hunger hat. Das Zipzap kappt alle in der virtuellen Realität unnötigen Körpergefühle.
    Keine Antwort. Was, zum Teufel, ist hier los? Er schaltet das Visiofon im Wohnzimmer an - einen sehr langsamen, wenig interaktiven Stromkreis, der unter allen Umständen funktionieren soll -, doch auch hier tut sich nichts. Der Bildschirm wird nicht einmal hell. Als letzten Ausweg drückt er auf den roten Knopf mit der Aufschrift Emergency. Das Resultat ist das Gleiche. Jetzt bekommt Wil es ernsthaft mit der Angst zu tun.
    Die Nachbarn, denkt er. Ich muss zu den Nachbarn gehen. Vielleicht stimmt ja mit dem Haus etwas nicht.
    Die Nachbarn wohnen zweihundert Meter entfernt. Das dürfte schwierig werden, vor allen Dingen, wenn die Sonne scheint. Wilbur ist ein Geschöpf der virtuellen Realität; sein Körper kommt mit der UV-Strahlung nicht zurecht. Es gibt Überlegungen, die Enklave mit einer Kuppel zu überdachen, doch die Kosten für die Maßnahme sind extrem hoch.
    Er tritt vor das große Glasfenster, um festzustellen, wie das Wetter draußen ist. Jetzt erst entdeckt er die Nachricht, die von einer Drohne auf die fotosensible Scheibe projiziert worden ist. Sie ist schon fast erloschen, doch Wilbur kann sie gerade noch entziffern:
    Achtung - erwarten Tornado der Stärke F 6.
    Evakuierung per Hubschrauber hat begonnen.
    Bitte nur das Notwendigste mitnehmen.
    Wilbur fallen die eindringlichen Warnungen auf MAYA ein, die er entnervt weggedrückt hat, als er gerade dabei war, seine neueste Eroberung zu »beschlagen«. Wie war noch gleich ihr Name? Ah ja, Jennifer.
    Er tritt auf die Freitreppe hinaus und konsultiert fast automatisch die Wetterberichtstafel, die neben dem Eingang installiert ist und die ihn normalerweise darauf hinweist, ob er das Haus verlassen kann und wenn ja, mit welchen Schutzvorkehrungen. Die Tafel ist erloschen.
    Die Hitze ist erdrückend. Hier draußen herrschen mindestens 40 Grad. Die mit Staub und atmosphärischem Ozon aufgeladene Luft ist schwül und erstickend. Wil überquert den transgenen Rasen, der zwar immergrün, aber auch fusselig und wellig wie ein alter Teppich ist, und erreicht die mit verbrannten Baumskeletten gesäumte Straße. Überall liegen Papiere, Spielzeug und Haushaltsgegenstände herum. Die Evakuierung muss unter großem Zeitdruck vonstattengegangen sein. Im Staub sind Raupenspuren zu erkennen - vermutlich Armeepanzer. Hubschrauberspuren sind auch da.
    Wilbur hört hinter sich ein weit entferntes Grollen. Er dreht sich um.
    Am Horizont, jenseits der weißen Villen, türkisen Pools, immergrünen Rasenflächen und sterbenden Bäume sind die Horden der Hölle dabei, den Himmel zu erstürmen.
    Eine gewaltige tintenschwarze Wolke mit violetten Tumoren und Auswüchsen türmt sich, von fahlen Blitzen durchzuckt, bis zum Firmament empor. Tentakeln wachsen aus ihr heraus; sie drehen und winden sich wie Dämonenzungen.
    In der Mitte aber erkennt man bereits den schrecklichen, unglaublichen Trichter des Tornados. Die unermessliche, monströse Windhose wirbelt mit apokalyptischem Dröhnen Myriaden von Trümmern mit sich herum, die aus der Entfernung zwar klein aussehen, sich jedoch als Lastwagen, Mauerstücke und Brückengeländer herausstellen können. Ein Tornado der Stärke F 6 bedeutet Windgeschwindigkeiten von über 500 Stundenkilometern und einen Trichter mit einem Durchmesser von fünf Kilometern - das reicht aus, um die gesamte Enklave dem Erdboden gleichzumachen. Die Sonne wird zur schwefelfarbenen Kugel. Wind kommt auf und formt neckische kleine Staubwirbel. Blätter, Papier und leichte Abfälle fegen
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