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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller
Autoren: Bastei Lübbe
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106 A und 106 B. Wir fahren für Shell.«
    Kurzes Schweigen.
    »Sie sind nicht angekündigt. Was haben Sie geladen?«
    Limonade, du Spinner, denkt der Fahrer und verzieht ironisch das Gesicht. Doch er antwortet in ausdruckslosem Tonfall: »Flüssiggas. Eine Notlieferung.«
    »Wohin?«
    »Den Helder.«
    »Auf die andere Seite? Der Abschlussdamm ist geschlossen. Zu stürmisch. Sie müssen außen um das Ijsselmeer herumfahren.«
    Scheiße. Eine Sekunde lang spielt der Fahrer mit dem Gedanken, die Schranke einfach zu durchbrechen, aber die Polizei könnte die Schwenkbrücke an der Lorentzschleuse öffnen lassen, ehe die Tanklaster dort wären, und damit fiele der gesamte Auftrag ins Wasser. Er entschließt sich zu verhandeln. Zwar hat er seine Argumentation vorbereitet und immer wieder geübt und wiederholt, aber trotzdem ist und bleibt sie eine der Schwachstellen des Plans.
    »Unmöglich. In Den Helder sitzen sie im Dunkeln. Fünfzehn Windräder sind umgeknickt, der Strom ist ausgefallen, Krankenhaus und Flughafen stehen vor dem Kollaps. Sie brauchen den Treibstoff für ihre Generatoren, und zwar schnell.«
    »Das ist nicht mein Problem«, gibt der Polizist zurück. Seine Stimme knistert über die Lautsprecher. »Der Abschlussdamm ist geschlossen. Punkt. Ich halte mich an die Vorschriften.«
    Der Fahrer schickt seinem Hintermann über einen verschlüsselten Kanal ein kurzes Warnsignal, mit dem er ihn anweist, sich für Plan B bereitzuhalten, falls der Polizist sich nicht doch noch erweichen lässt.
    »Hören Sie, ich habe eine Sondergenehmigung von Shell, die von den Behörden der Stadt Groningen gegengezeichnet ist. Darin steht, dass ich meine Ladung so schnell wie möglich und auf dem kürzesten Weg ausliefern muss, und zwar unabhängig vom Wetter. Wollen Sie sie sehen?«
    Wieder ein kurzes Schweigen. Dann dringt eine andere Stimme aus dem Lautsprecher, die tiefer und älter klingt. Vermutlich der Chef.
    »Was sagen Sie, warum wollen Sie unbedingt über den Abschlussdamm?«
    Der Fahrer erklärt den Sachverhalt zum zweiten Mal, während er unter dem Sitz nach seiner Mini-Uzi tastet. Immerhin könnte der Chef auf die Idee kommen, seine Aussage genauer zu überprüfen - in diesem Fall käme selbstverständlich sofort Plan B zum Einsatz. Doch der Chef gibt sich verständnisvoll. Vielleicht hat er aber auch nur keine Lust, einen Verweis zu kassieren.
    »Okay, ich mache Ihnen die Schranke auf. Allerdings muss ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie die Fahrt auf eigene Gefahr unternehmen. Da draußen auf dem Damm bläst es verdammt heftig.«
    »Danke, Chef.«
    »Ich sage den Kollegen auf der anderen Seite Bescheid, dass Sie kommen.«
    »Einverstanden.«
    Während die Ampel von Rot auf Grün umschaltet und die Schranke sich langsam hebt, lässt der Fahrer seine Maschinenpistole wieder unter den Sitz gleiten, schaltet den Autopiloten ab und legt den zweiten Gang ein. Der schwere Tanklastzug setzt sich ächzend in Bewegung, unmittelbar gefolgt von dem zweiten Lkw, der das Wärterhäuschen im Vorbeifahren mit Fontänen braunschlammigen Wassers bespritzt.
    Apokalypse
    Abschlussdamm (niederländisch Afsluitdijk, friesisch Ofslútdyk) ist ein Sperrdamm am Eingang der einstigen Zuiderzee zwischen Den Oever (Provinz Nordholland) und Zurich bei Harlingen (Provinz Friesland), für dessen Bau 15 Millionen Kubikmeter Kiesellehm und 27 Millionen Kubikmeter Sand verwendet wurden. Er ist 32 Kilometer lang und 90 Meter breit und wurde am 28. Mai 1932 fertiggestellt. Genau um 13:02 Uhr des genannten Tages wurde der Damm geschlossen und trennt seitdem das seit September 1932 offiziell Ijsselmeer genannte Binnengewässer, die ehemalige Meeresbucht Zuiderzee, vom Wattenmeer und ist eines der Hauptelemente der Zuiderzeewerke. Über den Damm führt die niederländische Autobahn Rijksweg 7. Im Damm befinden sich die Schiffsschleusen von Den Oever und Kornwerderzand sowie 25 Ablassschleusen mit einem Durchflussdurchsatz von maximal 5000 m 3 /sec. Im 20. Jahrhundert lag die Deichkrone etwa 7,50 Meter oberhalb des Wasserspiegels.
    Nachdem sie die Schleuse von Kornwerderzand hinter sich gelassen haben, gibt es kein Zurück mehr. Der Fahrer des Volvo macht ein Kreuzzeichen auf sein Lenkrad, küsst sein Kruzifix und betet mit leiser Stimme ein Vaterunser, während er das Gaspedal durchtritt. Er hätte den Augenblick geistiger Sammlung gern mit seinem Kollegen geteilt, der zweihundert Meter hinter ihm fährt, doch außer Warnsignalen in Notfällen ist
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