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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller
Autoren: Bastei Lübbe
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durch die leeren Straßen.
    In atavistischer Angst erstarrt, bleibt Wilbur wie angewurzelt stehen. Er zittert am ganzen Körper und pinkelt sich voll. Der Wind seufzt in den leeren Straßen. Irgendwo klappert ein Fensterladen. Das titanische Dröhnen des Tornados übertönt das fortgesetzte Donnergrollen. Die Windhose nimmt inzwischen den halben Himmel ein. Sie ist nur noch wenige Kilometer entfernt. Unerbittlich kommt sie geradewegs auf die Enklave zu wie ein Finger Satans.
    Endlich reagiert Wilbur. Er rennt ins Haus, saust in den Keller und verbarrikadiert die Metalltür. Die Idee ist lächerlich, und das weiß er auch.
    Er reißt die fleckige, stinkende Matratze vom Bett, verschanzt sich unter dem Konsolentisch, verstaut die Matratze vor seinem Körper und wartet. Sein schlaffes Fleisch bebt. Zähneklappernd und mit weit aufgerissenen Augen starrt er in die Schwärze und hört, wie das Grollen draußen jeden anderen Laut verschlingt.
    Minuten später bricht das Inferno los.
    Den Kopf zwischen den Knien, die Hände im Nacken verschränkt und eingehüllt in seinen Matratzenkokon, spürt Wilbur, wie die Wand, an die er sich anlehnt, zunächst zu vibrieren beginnt, dann Risse bekommt und zuletzt zerbirst. Über ihm brüllt, tobt, explodiert, knallt und splittert es. Die Kellerdecke wird fortgerissen. Trägerbalken und Schutt stürzen in einer Gipswolke in sich zusammen, die ihm den Atem raubt. Das Chaos erreicht seinen Höhepunkt. Nichts als Trümmer sind übrig, die durch den Raum wirbeln und mit übermenschlicher Gewalt gegen Mauerreste und seine Matratze gepresst werden. Die Matratze hält die schwersten Stöße ab, und - so merkwürdig es auch klingt - der Tisch weicht nicht von der Stelle. Wilbur schreit aus Leibeskräften wie ein verängstigtes Tier, doch er kann sich selbst nicht hören. Schlammiges Wasser bricht in seinen Verschlag ein und durchnässt ihm Füße und Hinterteil. Irgendwo ist ein Feuer ausgebrochen; er kann den Rauch riechen. Der immense Druck verstopft ihm die Ohren, Blut rinnt ihm aus der Nase. Er bekommt kaum noch Luft.
    Und dann ist alles so schnell vorbei, wie es begonnen hat. Man hört es zwar noch donnern, doch das ist nur ein normales Gewitter. Schwerer schwarzer Regen klatscht auf die Ruinen.
    Wie erstarrt bleibt Wilbur noch lange Zeit mit verstopfter Nase und summenden Ohren stocksteif sitzen. Irgendwann begreift er, dass er noch lebt.
    Er hat überlebt! Er hat einen F 6 überlebt!
    Langsam und schmerzerfüllt faltet er seine Gliedmaßen auseinander, stößt die mit Gipsstaub und Wasser getränkte Matratze von sich und verlässt seinen Verschlag. Der Tisch ist völlig verzogen und mit Schutt bedeckt, unter dem er die verbogenen Reste seiner Konsole zu erkennen glaubt. Er verspürt deswegen kein Bedauern - noch nicht. Wilbur durchquert den ehemaligen Kellerraum, dessen Wände von Rissen durchzogen sind, watet durch das schlammige Wasser und klettert über Trümmerstücke. Dort, wo die Kellerdecke war, gähnt ein riesiges Loch. Vom Haus sind nur noch ein paar Stahlstreben und einige Mauerreste geblieben. Der schwarze Himmel erbricht tropische Regenmassen. Er hebt das Gesicht und lässt es vom Regen abduschen, der zwar lauwarm und sauer ist, doch das ist ihm gleich. Er lebt!
    Von oben aus den Ruinen dringen Stimmen an sein Ohr.
    Der Rettungsdienst, denkt Wilbur sofort.
    »Ich bin hier!«, ruft er. »Hier im Keller. Holt mich raus!«
    Er stürzt den Schuttberg hinunter zur Tür, die sich jedoch in ihrem verzogenen Rahmen nicht öffnen lässt. Hastig klettert er wieder hinauf.
    »Hilfe! Hilfe! Ich sitze hier im Keller fest.«
    Die Stimmen kommen näher. Wilbur hört Schritte und herumkollernden Schutt. Gips und Staub fallen durch das Loch in der Decke.
    »Bitte hierher! Holt mich raus!«
    Seine Stimme erstirbt, als er das Gesicht entdeckt, das sich über sein Gefängnis beugt. Es ist schwarz, schmutzig, fleckig und vernarbt. Das Haar hängt in grauen Strähnen herunter. Der Mann betrachtet Wilbur aus blutunterlaufenen Augen mit einem zahnlosen Grinsen. In der Hand hält er eine Eisenstange.
    Ein Outer.
    »Hey, Leute«, wendet sich der Outer mit einem dreckigen Lachen an seine unsichtbaren Kumpane. »Hier im Keller ist eine Kakerlake.«
    Natürlich hat die Plasmabarriere der Enklave den Tornado nicht überstanden.
    Entsetzt weicht Wil zurück. Am Fuß des Schuttbergs sinkt er in sich zusammen. Vier, fünf Outer in Lumpen springen in den Keller. Alle sehen furchtbar aus, sind bewaffnet und
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