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Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Titel: Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder
Autoren: Robert Gordian
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Schlages hatte sie mitgerissen. Sie war gestürzt und lag nun, dieses Mal mit dem Kopf nach unten, auf den Altarstufen hingestreckt. Der Leuchter, ihren Händen entglitten, rollte über den Boden der Halle.
    Doch da raffte sie sich schon auf. Erneut wollte sie ihre Waffe packen. Ich sah mich hilfesuchend um und wich ein paar Schritte zurück.
    Auf einmal war es stockfinster. Die zweite Kerze auf dem Altar, die allein noch die Kirche beleuchtet hatte, war plötzlich erloschen. Auch durch die schmalen Fenster unter dem Dach drang kein Lichtschimmer. Es war eine finstere, mondlose Nacht.
    Noch immer zitterte ich nach dem überstandenen Schrecken. Mein Hals war wie zugeschnürt. Kein Wort, keinen Schrei brachte ich hervor.
    Ich hörte den harten Schritt der Fausta. Ihr Fuß stieß an den bronzenen Leuchter, der noch ein Stück weiterrollte. Jetzt mußte sie ihn erneut gepackt haben.
    Da vernahm ich vom Chor her leichte Schritte. Ein neuer furchtbarer Schreck durchzuckte mich. Hatte Sallustus die zweite Kerze gelöscht, um sich seinerseits zu bewaffnen? Machten sie jetzt in der dunklen Kirche, jeder mit einem Leuchter in Händen Jagd auf mich?
    Ich drehte mich um und tappte, die Arme vorgestreckt, in die Richtung, wo ich die Pfeiler vermutete. Hinter mir waren die harten Schritte. Wo waren die leichten? Ich konnte sie nicht mehr hören. Von welcher Seite würde der tödliche Schlag mich treffen? Wie ein Blinder, mit flatternden Händen ins Leere greifend, hastete ich vorwärts. Jetzt vernahm ich nur noch den eigenen keuchenden Atem, das Schurren meiner Sandalen. Sollte ich doch einen Schrei versuchen? Aber auch wenn die anderen draußen noch warteten, würden sie wohl zu spät kommen. Weiter! Ich ertastete eine scharfe Kante. Es war ein Pfeiler. Ich umarmte ihn wie einen Freund, denn er konnte mir etwas Schutz gewähren.
    Im selben Augenblick spürte ich, wie eine Hand sich auf meinen Arm legte. Der Atem stockte mir. Ich meinte, nun würde ich wohl in Ohnmacht fallen. Da aber flüsterte eine Stimme:
    „Folgt mir! Gleich seid Ihr in Sicherheit!“
    Schon wurde ich fortgezogen. Nach zehn Schritten öffnete sich eine Tür. Ich stolperte in ein schmales Gemach. Ein Riegel wurde hinter mir vorgeschoben.
    Ich war in der Sakristei der Kirche. Ein winziges Öllämpchen blakte. Es beleuchtete das verstörte, entsetzte Gesicht des Sallustus.
    „Teufelin!“ stöhnte er immer wieder. „Teufelin!“
    Wir sanken erschöpft auf eine Bank. Eine Weile sprach keiner von uns ein Wort. Ich mußte meinen Schrecken, er seine Erschütterung überwinden.
    Zweifellos hatte er mir das Leben gerettet. Er hatte den Schrei ausgestoßen, um mich vor dem Schlag mit dem Leuchter zu warnen. Er hatte die Kerze gelöscht, um mich der entfesselten Furie unsichtbar zu machen. Die Fausta mußte bei ihrem Angriff auf mich seine Anwesenheit in der Kirche völlig vergessen haben.
    Während wir schwiegen und uns zu fassen suchten, horchten wir immer wieder nach der Halle hin. Es drang aber kein Geräusch durch die festgezimmerte, eisenbeschlagene Tür. Schließlich standen wir auf, schoben mit größter Vorsicht den Riegel zurück und öffneten sie einen Spaltbreit.
    Unser Lämpchen erhellte kaum den Chorraum. Die riesige Kirche lag im Dunkeln.
    „Ich muß das Portal schließen!“ sagte Sallustus.
    „So gehen wir.“
    „Und wenn sie noch irgendwo lauert?“ flüsterte er.
    Unsere bänglichen Blicke glitten über die Pfeilerreihen, die wir nur schemenhaft wahrnehmen konnten. Wir hielten den Atem an. Es war still. Der Leuchter, der mir beinahe den Schädel zerschmettert hatte, stand wieder auf dem Altar an der Seite des Kreuzes.
    „Wenn Ihr noch hier seid, Frau Fausta, so laßt Euch sehen!“ rief ich. „Sonst werdet Ihr in der Kirche eingeschlossen!“
    Meine Stimme verhallte. Es gab keine Antwort.
    Da nickten wir uns ermutigend zu, und indem wir unsere weiten Gewänder rafften, durchmaßen wir beiden kleingewachsenen Gottesmänner mit kurzen, hastigen Schritten die Kirche. Als auf dem letzten Stück unser Lämpchen erlosch, rannten wir, als sei Satan persönlich hinter uns her.
    So kamen wir glücklich an das Portal.
    Draußen auf der Treppe lagerte wie immer ein Grüppchen von Bettlern. Ich hätte sie gern etwas gefragt. Aber sie schliefen.
    Frau Fausta war in ihr Haus zurückgekehrt.
    In der Halle fand ich eine zusammengeschrumpfte und mißgelaunte Gesellschaft vor. Die meisten Gäste hatten sich schon zur Ruhe begeben, die Übriggebliebenen aber
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