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Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder

Titel: Odo und Lupus 05 - Pilger und Mörder
Autoren: Robert Gordian
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unterhielten sich halblaut und blickten immer wieder nach der Treppe hin, die zum oberen Stockwerk führte. Odo ging mit düster gesenktem Blick auf und ab und ließ sich nicht ansprechen.
    Von Fulk erfuhr ich, was geschehen war. Vor einer guten Weile war Fausta wie eine Schlafwandlerin hereingekommen. Ohne jemand auch nur eines Blickes zu würdigen, hatte sie sich nach oben begeben. Von dort war dann plötzlich ein so ungeheures Gepolter ertönt, daß unten zwanzig lärmende, halb betrunkene Männer erschrocken verstummt waren. Odo hatte versucht, in das Zimmer der Fausta einzudringen, doch war die Tür verriegelt gewesen. Da waren einige nach Leitern gelaufen und hatten die Galerie erklommen. Ihre Tür aufstoßend, waren sie von Fausta mit Wurfgeschossen empfangen worden – Stuhlsitzen, Tischbeinen und anderen Teilen zerschmetterter Möbel. Fausta hatte dabei so furchterregend gewirkt, daß gleich alle erschrocken geflohen waren. Als Odo es etwas später noch einmal allein versucht hatte, war sie wieder ganz ruhig gewesen und hatte beim Licht einer Kerze inmitten der Möbeltrümmer auf dem Boden gekniet, die aufgeschlagene Bibel vor sich. Sie hatte ihn durch Gesten aufgefordert zu schweigen und sich zu entfernen, was er auch in völliger Ratlosigkeit getan hatte.
    „Die Verlobung fängt ja gut an“, sagte Fulk. „Wie mag da wohl erst die Ehe ausgehen!“
    Das kümmerte mich jetzt wenig, doch war ich in Sorge, wie wir die Nacht verbringen würden. Weitere Gewalttaten waren nicht auszuschließen. Am Ende zündete Fausta das Haus an oder machte uns, während wir schliefen, der Reihe nach den Garaus. Ich ordnete deshalb an, daß die Männer unseres Gefolges, denen der brave Friese sich freiwillig zugesellte, jeweils zu zweit die Nachtwache hielten. Auch Odo hockte die ganze Nacht in Sorge um seine Braut in der Halle. Ich ließ ihn jetzt auf dem Rost seiner Unruhe schmoren. Die Folter hätte er sich ersparen können, wäre er früher bereit gewesen, mich anzuhören. Am Morgen würde er schon alles erfahren.
    Trotz meiner Müdigkeit tat ich kein Auge zu. Es geschah aber nichts, die Nacht blieb ruhig. Meine Befürchtungen waren übertrieben gewesen. Wie sollte ich armer Mönch auch imstande sein, eine Frau wie Fausta zu ergründen? Wie sollte ich ihr Verhalten vorausahnen?
    In der Frühe rief sie ihre Mägde zu den täglichen Verrichtungen, und kurze Zeit später kam sie die Treppe herab. Erhobenen Hauptes durchschritt sie die Halle, um nach der Kirche zu gehen. Für Odo, der sie ansprechen wollte, und die anderen, die sie grüßten, hatte sie nur ein knappes Kopfnicken. Mich übersah sie völlig. Während der Messe erblickten wir sie an ihrem üblichen Platz, und nichts an ihrem Benehmen war außergewöhnlich. Sie sang wie immer mit lauter Stimme und verrichtete alle vorgeschriebenen Andachtsübungen mit der größten Sorgfalt. Einer der Chorherren zelebrierte die Messe, ein anderer ministrierte. Sallustus war nicht anwesend. Er hatte in der Nacht einen Erschöpfungsanfall erlitten und lag fiebernd und wirres Zeug redend in seiner Kammer.
    So war es nur die beschädigte Altarstufe, die während dieser Messe ein besonderes Aufsehen erregte. Da auch die Steinsplitter noch umherlagen, gab sie Priestern und Gemeinde Anlaß zu allerlei Rätseln. Immer wieder wanderten Blicke nach oben und konnten doch keine Stelle im Dach finden, wo sich ein Ziegel gelöst hatte und herabgestürzt war. Die weniger auffälligen Spuren an einem der Altarleuchter bemerkte niemand, und man wäre auch kaum auf einen Zusammenhang gekommen. Ebenso wie keiner der Herren, die mich nach meiner Meinung fragten, von der frischen Schramme in meinem Gesicht auf die Ursache dieses Schadens schloß. Einige hielten ihn für ein Wunder, andere sprachen von schlimmer Vorbedeutung. Ich schwieg dazu.
    Nach der Messe erfolgte ein eiliger Aufbruch. Alles drängte nach draußen, um nichts zu verpassen. Die Halle des Hauses war inzwischen auf Odos Befehl geputzt und geschmückt worden. Festlich glänzte sie in ihren frischen Farben. Odo, im Festgewand, das Schwert an der Seite, ordnete selbst unsere Reihen entlang der Wände. Dann trat er feierlich in die Mitte, hoch aufgerichtet und erhobenen Hauptes, zwar etwas blaß nach der schlaflosen Nacht, doch alles in allem der stattlichste Bräutigam, den eine Fränkin sich je wünschen konnte.
    Tausende hätte er in diesem Augenblick glücklich gemacht. Sein Unglück war, daß er an diese geriet.
    Sie kam. Im
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