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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe
Autoren: Robert Gordian
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vor der Versammlung auf, sich sobald als möglich nach der Pfalz zu begeben. Dort sollte der König selber über seine Bestrafung entscheiden.
    Den Garibald verurteilten wir zu einem Wergeld von 600 Solidi wegen Mordes an einem Adaling, die Hälfte davon an den Fiskus zu zahlen. Ein Friedensgeld von 60 Solidi erhoben wir darüber hinaus wegen seiner Mitwirkung an den Verbrechen des Hug. Dieses soll ihm aber erlassen werden, wenn er die drei jungen Kerle, die mich in der Hütte verbrennen wollten, am nächsten Gerichtstag zur Bestrafung herbeischafft.
    Im Falle des Thankmar entschieden wir, keine Anklage zuzulassen, weil er einen gefährlichen Räuber, Mörder und Menschenjäger getötet hatte.
    Es gelang uns sogar noch, in der verbliebenen Zeit alle anderen Fälle zu erledigen. Wie ich schon anmerkte, waren es fast nur Erbstreitigkeiten und kleinere Vergehen von Unfreien. Jetzt mußte ich doch noch, obwohl es mir schwerfiel, die Verhandlungen übernehmen, denn Odo hatte jedes Interesse an den Vorgängen im Ring verloren. Mit düsterer Miene saß er auf seinem Richterstuhl, sprach kein Wort und hing seinen Gedanken nach. Auch die Versammlung war nicht mehr imstande, den Streitereien um ein Stück Weideland oder ein paar gestohlene Hühner zu folgen. Alle redeten durcheinander, viele stritten, es ging nur um das Ereignis des Tages. Mit Hilfe meiner Aufzeichnungen, die ich zum größten Teil dem Irmo verdankte, entschied ich fast alle Fälle mühelos. Wo ich unsicher war, halfen mir die drei alten Kenner des Volksrechts.
    Die Versammlung endete rechtzeitig vor Sonnenuntergang, so daß die meisten noch bei Tageslicht nach Hause kamen. Wir kehrten zum Salhof zurück, und ich setzte mich gleich mit Rouhfaz hin, um einen Bericht zu verfassen, in dem die an diesem Tag ergangenen Urteile aufgelistet waren. Er war für das gräfliche Archiv bestimmt, das Rothari natürlich selbst verwaltete. Das Zweikampfurteil ließ ich rücksichtsvoll weg und trug es nur in die Abschrift für die Hofkanzlei ein. Ich schlug Odo vor, dem Grafen das Pergament gleich zu überreichen und uns bei der Gelegenheit – wir waren ja immerhin seine Gäste – nach seinem Befinden zu erkundigen. Odo zeigte dazu aber keine Neigung und unternahm lieber vor Einbruch der Nacht noch einen Ausritt mit Impetus. Natürlich wollte er den Grafen nicht sehen. Obwohl ich sehr müde war und wieder unter Schmerzen litt, entschloß ich mich, das Haus auf dem moosbewachsenen Hügel allein aufzusuchen.
    Die Tür war angelehnt. Ich machte mich durch ein Räuspern bemerkbar. Ein alter Knecht erschien, der den Grafen zu bedienen pflegte. Seine Augen waren vom Weinen gerötet. Er ließ mich wortlos eintreten und führte mich in den hinteren Raum, das Schlafgemach.
    Rothari lag auf seinem Bett, unter der bestickten Seidendecke, die fast bis zum Kinn heraufgezogen war. Von den bemalten Wänden lächelten Eva und Bathseba auf ihn herab. Reglos war sein bleiches Gesicht, seine Augen waren geschlossen. Von seiner linken Hand, die unter der Decke hervorhing, tropfte Blut in eine schon halb gefüllte silberne Schale. Auf einem elfenbeinernen Tischchen neben dem Bett standen ein Krug mit Wein und ein goldener Trinkbecher. Daneben bemerkte ich eine Lanzette und ein Buch mit lateinischen Versen.
    Er wollte wohl wie ein Römer sterben, wie ein Seneca oder Petronius. Es war zu spät, noch etwas für ihn zu tun. Er lag bereits in tiefer Bewußtlosigkeit.
    So konnte ich nur das Knie beugen und trotz der schrecklichen Sünde, die er zuletzt noch begangen hatte, seine Seele dem Herrn empfehlen.
    Noch zwei lange Wochen vergingen, ehe wir den Tannengrund endlich verlassen konnten.
    Es gab keinen geeigneten Nachfolger für Rothari, und so entschlossen wir uns zu einer Maßnahme, die unser Herr Karl zwar erst noch bestätigen muß, die jedoch keinen Aufschub duldete. Auch im Fall der Bestrafung und Abberufung Rotharis hätten wir sie dem König vorgeschlagen. Wir hoben die Selbständigkeit der Grafschaft auf und verfügten die Angliederung an das Gebiet des Grafen Hademar. Ein Eilbote – Heiko bewarb sich dringend um diese Mission – unterrichtete Hademar davon, und er ließ uns durch einen Gefolgsmann wissen, daß er an einem der letzten Septembertage kommen und die fünf neuen Zenten {26} , in die wir den Tannengrund eingeteilt hatten, übernehmen werde. Wir beschlossen, seine Ankunft nicht abzuwarten und ihm entgegenzuziehen.
    Mit großem Gefolge brachen wir auf, denn es versteht
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