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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe
Autoren: Robert Gordian
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und Folterer, die mir geblieben waren, hatten keinen Zweifel daran. Sie wollten ihn gleich vor Rothari verklagen, der ihnen ja meinetwegen gefällig sein mußte. Um nicht gezwungen zu sein, ihnen Irmo zu opfern, verzögerte er aber den Gerichtstag, und nun besprachen sich Garibald, Allard und Hug, meinem Bruder aufzulauern und ihn zu töten. Zitternd vor Angst erwartete ich die Unglücksbotschaft. Da stieg Allard eines Tages herauf mit der Nachricht, daß hohe Gerichtsleute kämen. Aufgeregt ratschlagten sie, und ich erfuhr dann, daß Garibald umgestürzte Bäume auf den einzigen Weg werfen ließ. Ich dachte, sie wollten Euch zur Umkehr zwingen, damit ihre Blutrache nicht gestört wurde. Erst später erkannte ich ihre wahre Absicht: Euch in das Rabennest zu locken. In meiner Verzweiflung eilte ich Euch entgegen und verwandelte mich in eine Seherin. Ich warnte Euch vor einer Blutquelle – in der Hoffnung, dies würde Euch im Gegenteil anziehen. Ich täuschte mich nicht. Doch Ihr konntet die Quelle nicht verstopfen. Sie strömte, und gutes und schlechtes Blut wurde vergossen.“
    Die edle Frau blickte zu uns auf und schloß mit den bitteren Worten: „Alles, was ich gesagt habe, ist die Wahrheit. Solltet auch Ihr ein Gottesurteil befehlen, bin ich sicher, daß Gott mir beistehen wird. Bedenkt aber, daß ich das glühende Eisen diesmal nur noch mit meinen Händen aushalten könnte!“
    Damit war die Vernehmung der Zeugin beendet. Odo, der immer noch Mühe hatte, sich zu beherrschen, gab ein Zeichen, man möge sie wieder an ihren vorigen Platz zurücktragen.
    Wir neigten uns gerade einander zu, um zu beraten, als der Graf plötzlich aufsprang und in die Mitte des Rings trat.
    „Männer des Tannengrunds!“ rief er. „Was ihr gerade gehört habt, ist eine schlimme Geschichte. Doch laßt euch nicht täuschen! Mit großem Geschick fordert diese Frau euer Mitleid heraus. Dabei kommt es ihr aber trotz aller Beteuerungen keineswegs auf ein paar Lügen an. Sie spricht die Unwahrheit, wenn sie behauptet, ich hätte mich heimlich mit ihr getroffen! Ich kannte sie kaum, ich sah sie selten, nur manchmal bei Festen. Niemals hatte ich näheren Umgang mit ihr! Völlig unbekannt war mir, wer ihr Geliebter war und ob sie überhaupt einen hatte. Was das Gottesurteil betrifft, so wird ein solches – ihr wißt es alle – befohlen, wenn der Ehemann seine Frau beschuldigt, sie aber leugnet. Was also sollte ich anderes tun? Und daß ich sie nach drei Tagen freisprach … Sie hat ja selber gestanden, daß sie mich täuschte! Ebenso hoffte sie, ihren Gemahl zu täuschen. Das gelang nicht, und wegen der weiteren Folgen tut sie mir leid. Doch was habe ich damit zu schaffen? Wer kann mich dafür verantwortlich machen? Wer will mich anklagen?“
    „Wir!“ rief Odo.
    Jetzt war es mit seiner Beherrschung vorbei, und ich konnte ihn nicht mehr zurückhalten. Er sprang von seinem Richterstuhl auf, trat an die Seite des Grafen, den er um ein halbes Haupt überragte, packte ihn vorn am Gürtel und zog ihn so heftig zu sich heran, daß ihre Nasen sich fast berührten.
    „Primo. Ihr habt einer edlen Jungfrau Gewalt angetan! Secundo. Ihr habt ihr die Ehe versprochen, obwohl Eure Frau am Leben war! Tertio. Ihr habt sie auf unmenschliche Weise bestraft – für eine Tat, die Ihr selber verübt hattet! Quarto. Ihr habt ihr heroisches Opfer hingenommen ohne das mindeste Zeichen von Reue und Dankbarkeit, habt sie im Gegenteil beschimpft und verleumdet, der Zauberei und des Mordes bezichtigt! Quinto. Ihr selber wart es, der alle belogen hat – die Adalinge und Freien, die hier anwesend sind, und uns, die Vertreter des Königs! Ist es das, was Ihr unter der Treue versteht, die Ihr gerade geschworen habt, Rothari?“
    Er stieß den Grafen mit einer so zornigen und verächtlichen Geste von sich, daß dieser Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten. Er bewahrte jedoch einen Rest von vornehmer Haltung und rief:
    „Was Ihr da vorbringt, sind Behauptungen! Ich wiederhole, daß ich unschuldig bin! Und ich werde es Euch und diesen Männern beweisen. Priester! Bringt den Reliquienschrein! Schafft ihn zurück in den Ring! Hier und sofort will ich meine Unschuld beeiden. Eure Anklage wird zu Staub zerfallen! Aber glaubt nicht, daß es damit abgetan ist. Es dürfte kaum im Sinne des Königs sein, daß seine Grafen vor allem Volk als Hurer, Lügner und Rechtsbrecher hingestellt werden. Man wird sich künftig bei Hofe die Männer genauer ansehen, die man als
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