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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel
Autoren: Janne Teller
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gedämpften Proteste und führte ihre Freunde in den hintersten Teil des großen Raumes. Hier bildeten Heuballen einen natürlichen Halbkreis, und Ida-Anna drängte die anderen sich hinzusetzen, während sie selbst einen Ballen in die Mitte zog und darauf kletterte.
    »Heute ist etwas Großartiges passiert«, sagte sie in rauem, feierlichem Flüsterton, und die jüngeren Kinder krochen sofort näher zu den älteren hin. »Ein Mann ist aus einem anderen Ort als Posthusby nach Smedieby gekommen!« Ida-Anna ließ den Blick forschend über die Gesichter vor sich wandern, um sicherzugehen, dass die Wichtigkeit dieser Begebenheit voll erfasst worden war. »Der Mann sagt, dass er Odin heißt.« Sie senkte die Stimme, und ein kleines Mädchen begann zu weinen. »Ssst!«, flüsterte Ida-Anna leicht irritiert, und Bodil nahm ihre kleine Schwester auf den Schoß. »Der Mann sagt also, dass er Odin
heißt«, wiederholte Ida-Anna. »Aber Odin ist nicht sein richtiger Name.« Wieder sah Ida-Anna im Halbdunkel die Gesichter prüfend an. »Ihr müsst alle schwören, nicht ein Wort von dem zu erzählen, was ich euch jetzt sage, sonst erzähle ich euch nichts«, sagte sie.
    »Komm schon!«, rief Ejner ungeduldig und schnitt eine Grimasse.
    »Schwör !«, beharrte Ida-Anna und zeigte auf das erste Kind im Kreis. »Schwör bei der Seele der Urururgroßmutter der alten Rikke-Marie. Heb deine rechte Hand und schwöre: Nie, nie, nie werde ich ein Wort zu jemandem sagen. Nie, nie, nie, sonst lande ich in der Schlange Magen! «
    Troels stand auf, hob die rechte Hand und flüsterte den Eid. Und einer nach dem anderen standen die Kinder auf, hoben ihre Hände und schworen.
    »Komm schon, weiter!«, drängte Ejner. Er war nur sechs Monate jünger als Ida-Anna, und es irritierte ihn fürchterlich, dass sie immer bestimmen musste.
    »Ruhe!«, fertigte Ida-Anna ihn ab und wartete, bis alle sich wieder hingesetzt hatten. »Heute Abend ist Weihnachtsabend!«
    »Ja! Ja!«
    »Aber was hat das mit dem Fremden zu tun?«, fragte Lauge und wechselte ungeduldige Blicke mit Ejner.
    »Wir alle wissen, dass der Weihnachtsmann uns am Weihnachtsabend Geschenke bringt«, fuhr Ida-Anna fort, ohne Notiz von den Jungen zu nehmen. »Und wir wissen auch, dass der Weihnachtsmann ein alter Mann mit weißem Haar und weißem Bart ist und dass er am Weihnachtsabend mit seinem Schlitten über den Himmel fährt.«
    Langsam begann den Kindern zu dämmern, was sie sagen wollte, und mehrere erhoben sich mit strahlenden Augen.
    »Und heute, nur ein paar Stunden bevor der Weihnachtsmann nach Smedieby kommen soll, kommt ein Fremder an. Er hat einen Unfall gehabt, eins seiner Pferde hat sich ein Bein gebrochen, und deshalb musste er vor der Zeit kommen. Das ist doch klar wie Kloßbrühe: Der Fremde ist der Weihnachtsmann und niemand anderer!«

    Alle Kinder sprangen und tanzten und vergaßen vor lauter Erregung, still zu sein. Sie riefen und schrien durcheinander, und Ida-Anna brauchte lange, um wieder Ruhe herzustellen.
    »Einer nach dem anderen!«, rief sie. »Einer nach dem anderen! «
    »Aber wenn der Fremde der Weihnachtsmann ist, warum sagte er dann, dass er Odin heißt?«, wandte Ejner ein.
    »Weil Odin der geheime Name des Weihnachtsmanns ist, du Dummkopf!«
    »Aber der Weihnachtsmann fährt mit Rentieren, und der Fremde hat nur Pferde«, warf Lauge ein.
    »Das haben die Erwachsenen doch nur gesagt, damit wir ihn nicht erkennen, wenn er kommt«, erwiderte Ida-Anna sofort. »Und das beweist doch nur, dass man den Erwachsenen nicht trauen kann.«
    »Aber wo sind die Geschenke?«, fragte der kleine Palle bekümmert.
    »Das ist ganz einfach«, sagte Ida-Anna. »Der Weihnachtsmann war auf dem Weg zum Spielzeugberg auf dem Kontinent, um die Geschenke zu holen, als er sich in dem schlechten Wetter verirrt hat. Sein Pferd hat sich ein Bein gebrochen und Schluss.«
    Einen Augenblick war es still, dann stand Ejner auf.
    »Das stimmt nicht, denn die Trommel, die ich zu Weihnachten bekommen soll, habe ich schon im Schrank meines Vaters gesehen«, sagte er triumphierend.
    Daran hatte Ida-Anna nicht gedacht, aber sie brauchte nicht lange, um eine Erklärung zu finden.
    »Das ist klar, denn diese Trommel ist von deinen Eltern und nicht vom Weihnachtsmann«, lachte sie. »Der Weihnachtsmann kommt nämlich nicht jedes Jahr. Er ist in der Tat noch nie in Smedieby gewesen und in Posthusby, nicht zu vergessen, auch nicht. Und das kommt daher, weil der Weg so schwer zu finden ist. Das hat er
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