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October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition)
Autoren: Seanan McGuire
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aneinander und rammte sie gemeinsam in seine Gurgel.
    Eisen durchschneidet Fae-Körper, als wären sie nichts als trockenes Laub und Luft. Genau dafür ist Eisen da: um uns zu töten. Silber kann fast das Gleiche leisten, wenn man es richtig einsetzt. Acacias Messer war aus Eisen und Dares Messer aus Silber, und ich hielt sie beide zusammengedrückt, als ich zustach.
    Er schrie, als die Klingen seine Haut durchstießen. Es war ein hohes, kindliches Kreischen, der letzte Aufschrei eines Mannes, der sich für unbesiegbar gehalten hatte. Für einen Sekundenbruchteil spaltete sich mein Sichtfeld auf, teilte sich in hundert Paar Augen, ehe auch die Jagdtruppe fiel, die Hände an die Brust gekrallt, und ihre Augen sich schlossen. Für diesen Sekundenbruchteil war ich selbst Blind Michael, ich war besiegt, ich blutete, ich starb.
    Und dann war da nichts mehr außer Blut. Die Gebühr war bezahlt: Ich wusste bloß nicht, wer sie entrichtet hatte und ob es rechtzeitig geschehen war. Er oder ich? Die ewige Frage. Ich fiel vornüber auf Blind Michaels Leiche und schloss die Augen. Es war nicht mehr so wichtig, er war tot, ich hatte gewonnen, und ich konnte nicht mehr.
    Nie wieder würden Kinder seinetwegen leiden. Zu guter Letzt hatte ich mich doch als Spross aus Oberons Linie erwiesen, ganz gleich, wie sehr ich es auch zu leugnen versuchte. Ich war ein Held, und ich starb wie ein Held, und das war auch ganz in Ordnung, denn so liefen die Dinge nun mal. Ich stieß einen tiefen, langen Atemzug aus und entspannte mich schließlich, während das Blut über meine Wangen strömte wie schwere karmesinrote Tränen.
    Ich war fertig.
    Die Dunkelheit war beinahe gnädig, als sie über mich kam und sich um mein versiegendes Bewusstsein legte. Mir blieb noch Zeit, mich zu fragen, ob die Nachtschatten mich wohl in Blind Michaels Landen finden konnten, dann war da nur noch Dunkelheit und der süßliche Geschmack von Blut.
    Ich war fertig.

Kapitel 31
    D er Geschmack von Blut weckte mich. Ich schlug die Augen auf, rollte mich zur Seite und spuckte aus. Es nützte nichts. Die Luft um mich herum war hell: zu hell, ein seltsames, gleichmäßiges Leuchten. Es war leicht beklemmend. Ich setzte mich auf, wischte mir mit dem Handrücken über den Mund und sah mich um.
    Ich lag auf einem Lager aus Moos am Rande von Acacias Wald, schützend umgeben von Bäumen. Die Zweige über mir trieben aus, kleine, zartgrüne neue Blätter zitterten in der Luft. Sie wuchsen. Alles wuchs. Der Himmel zwischen den Zweigen war dunkel, doch drei bleiche Monde schienen gegen das Schwarz an, umgeben von verstreuten Sternen. Das seltsame neue Leuchten war Mondlicht. Die Sterne bildeten keine Konstellationen, die ich kannte, dennoch war es wohltuend, sie zu sehen. Sie waren ein deutlichen Zeichen, dass die lange Nacht dieser Lande sich veränderte, wenn nicht gar dem Ende zuging.
    Hinter mir raschelte es im Unterholz, und ich drehte mich um und sah Acacia auf mich zukommen. Die Zweige neigten sich vor ihr aus dem Weg und umstrichen den Saum ihres grauen Seidenkleids, und ihre gestutzten Haare hatten sich gelockt und bildeten ein Knäuel aus winzigen Kringeln und Schlaufen, die sich ständig neu umeinanderschlangen, während ich hinsah. Sie trug nicht ihren gewohnten Umhang. Ich starrte sie offenen Mundes an, als mir klar wurde, was sie darunter verborgen hatte. Nie hatte ich sie ohne den Umhang gesehen, sie hatte das Kleid darunter gewechselt, doch der Mantel war immer der gleiche geblieben. Und jetzt sah ich auch, wieso.
    Acacia hatte ihre Flügel enthüllt. Es waren große Nachtfalterflügel, blassgrün mit goldenen »Augen« an den Spitzen. Die Ränder waren vom langen Eingesperrtsein ein wenig ausgefranst, doch sie würden heilen. Alles, was imstande war, so lange zu währen wie sie, musste unverwüstlich sein. Und sie waren wunderschön.
    »Ihr habt ja Flügel«, sagte ich staunend.
    »So ist es«, sie lächelte.
    »Aber warum habt Ihr sie versteckt?«
    »Michael sollte sie vergessen, damit er sie mir nicht wegnahm, wie er alles andere genommen hat.« Sie wandte ihr Gesicht nach oben und schloss die Augen. »Ich kann die Sterne fühlen. Sogar mit geschlossenen Augen kann ich die Sterne fühlen.«
    »Ist er … ?« Verlegen brach ich ab. Mir wollte einfach keine taktvolle Formulierung für die Frage einfallen, ob ich ihren Mann umgebracht hatte.
    »Tot? Ja, du hast ihn getötet.« Sie lächelte, die Augen noch immer geschlossen. »Er ist so tot, wie man nur sein kann.
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