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October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition)
Autoren: Seanan McGuire
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unmittelbar bevor der Tod eintritt. Ich hatte nach Mays Ankunft einen verrückten Erstgeborenen gestellt und getötet. Ich hatte jede Menge lächerliche, blöde, gefährliche, selbstmörderische Dinge getan und alles überlebt. Also mochte sie noch so sehr der Beweis sein, dass ich sterben musste – na und? Das wusste ich seit Jahren. Sie wie eine wandelnde Todesstrafe zu behandeln wurde uns beiden nicht gerecht.
    Sylvester betrachtete mich, als ich May losließ, und in seinen Augen leuchtete etwas, das verdächtig nach Stolz aussah. Ohne auch nur Luft zu holen, tauchte ich direkt in seine Arme und ließ mich von ihnen umfangen und erlaubte ihnen, die Welt auszusperren. An meinen Händen klebte Blut: Ich hatte Blind Michael getötet, und nichts würde das ungeschehen machen. Eine Menge Leute waren zu Schaden gekommen. Manche von den Kindern waren mit Sicherheit fürs Leben gezeichnet. Für diesen Augenblick aber machte das alles nichts. Nicht, wenn er mich noch in die Arme nehmen konnte.
    »Danke, dass du überlebt hast«, flüsterte er so leise, dass ich es beinahe nicht gehört hätte.
    Ich hob den Kopf und starrte ihn verblüfft an. Die Etikette verbietet das Danken mit ungeheurer Strenge, weil es als würdelos gilt. Dank impliziert Verpflichtung und Lehnstreue. Beides aber schuldete ich Sylvester sowieso. Ich lächelte ihn an und erwiderte: »Gern geschehen.« Dann legte ich meinen Kopf wieder an seine Brust, schloss die Augen und blieb so.
    Irgendwann muss ich wohl so eingedöst sein. Was kein Wunder war. Von dem kurzen Schlummer in Dannys Taxi abgesehen konnte ich mich kaum erinnern, wann ich zuletzt geschlafen hatte, ohne verwundet oder verzaubert zu sein. Im Grunde überraschte mich nur, dass ich nicht eher zusammengeklappt war.
    Ich erwachte gut zugedeckt in einem großen Bett, mit sauberen Sachen am Leib und Spike, der sich mitten auf meinem Bauch zusammengerollt hatte. Mein Haar war geflochten, und das ganze Blut war von mir abgewaschen. Die Wunde an meinem Arm pochte und ziepte, aber sie war bandagiert. Ich setzte mich auf und überging Spikes Protest. Wohl oder übel ließ er von mir ab und rollte sich schmollend auf meinem Kopfkissen zusammen. Mein Magen gab ein grummelndes Geräusch von sich. Ich hatte keine Ahnung, wie lange meine letzte Mahlzeit zurücklag, und ich war am Verhungern.
    Für solche Fälle gibt es Küchen in Schattenhügel. Ich hatte es schon beinahe aus dem Bett geschafft, als May mit einem Tablett in den Händen zur Tür hereinrauschte und schimpfte: »Sofort zurück ins Bett! Anweisung von Luna: Ich darf dich erst aufstehen lassen, nachdem du etwas gegessen hast.«
    Ich sah sie schief an. »Du bist mein Holing. Wer sagt, dass du mich herumkommandieren darfst?«
    »Die Herzogin«, entgegnete sie vergnügt und stellte das Tablett neben dem Bett ab. Sie steckte in einem Flickenrock und einem Batik-Bauernhemd, das in kreischenden Rot- und Violetttönen changierte. Die Kombination hatte etwas Beängstigendes. »Jetzt setz dich hin und iss.«
    Mein Magen knurrte erneut, und ich warf einen Blick auf das Tablett. Plötzlich war ich froh, zu tun wie mir geheißen. Die Eier waren perfekt, der Kaffee war heiß und der Toast gerade verbrannt genug, um mich zu überzeugen, dass ich nicht träumte. Herrlich. Spike bekam ein Stück Rinde zum Knabbern und blieb auf meinem Kissen.
    Luna kam herein, als ich die letzten Krümel vertilgte, und sagte ohne Umschweife: »Ich brauche einen Gefallen.«
    Ich blinzelte. »Natürlich.«
    »Die Luidaeg hat angerufen. Du musst Quentin zu ihr bringen. Es geht um Katie.«
    Ich erstarrte, dann nickte ich langsam. »Ja, natürlich.« Es war noch nicht vorbei. Solange Katie nicht geheilt war, war es noch nicht vorbei. Eiche und Esche. Manchmal fühlt sich das Leben an wie ein nicht enden wollendes Zugunglück.

Kapitel 32
    D iesmal war es ein sterblicher Taxifahrer, und er sprach kein Englisch. Auch egal. Quentin hielt während der ganzen Fahrt meine Hand, seine zitternden Finger um meine gekrampft, bis die Knöchel weiß hervortraten. Er war wie gelähmt vor Furcht. Eigentlich gab es einiges, was gesagt werden musste, doch ich wusste nicht, wie. Etwas auszusprechen macht es real. Außerdem galt es unseren menschlichen Fahrer zu bedenken, der zwar angab, kein Englisch zu können, aber er mochte doch genug verstehen, dass es Probleme gab, wenn wir in seiner Gegenwart den Mund aufmachten.
    Also blieb ich schweigsam, legte meinen Arm um Quentins Schultern und hielt ihn
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