Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition)
Autoren: Seanan McGuire
Vom Netzwerk:
Messer in meinen Gürtel und hängte mir das Schwert über die Schulter. »Wie finde ich nach Hause?«
    »Komm her.«
    Ihr Lächeln war warm und herzlich. Ich trat vor, bis ich nur noch ein paar Handbreit von ihr entfernt war.
    »Vertrau mir und schließ die Augen«, sagte sie. Ich tat wie geheißen und spürte, wie sie zuerst meine Augenlider küsste, dann meine Lippen. »Leb wohl, Toby.«
    Ein Windhauch erhob sich rings um mich, und der Geruch der Luft veränderte sich, wechselte von Walderde zu Blütenduft. Ich schlug die Augen auf und stellte ohne Überraschung fest, dass ich im Garten der Glasrosen stand. Das Licht, das durch die Fenster fiel, zeigte an, dass es Mittag sein musste, obwohl das Licht in Schattenhügel durchaus täuschen kann. Kristallschmetterlinge flatterten von Blüte zu Blüte, unbeeindruckt vom plötzlichen Auftauchen eines Wechselbalgs in ihrer Mitte. Ich konnte mich um mich selbst kümmern, ihre Aufgabe war es, sich um die Blumen zu kümmern.
    »Leb wohl, Acacia«, sagte ich und ging auf den Ausgang zu. Ich musste Sylvester und die anderen finden und sie wissen lassen, dass es mir gut ging. Wenn ich hier der Held sein sollte, musste ich auch Sorge tragen, dass meine Familie wirklich vor jeder Unbill geschützt war – auch der des Herzens.
    Verdammt, wann genau war ich eigentlich der Held geworden?
    Ich trat in den leeren Korridor hinaus. Meine Schritte hallten unbehaglich laut auf dem Marmorboden. Ich ließ Sylvesters Schwert von meiner Schulter gleiten und drückte es an meine Brust, dann marschierte ich los.
    Schattenhügel ist weitläufig, aber manche Bereiche befinden sich immer am gleichen Ort, und einer davon ist der Weg zum Thronsaal. Ich wanderte Korridore entlang und durch Vorzimmer, bis ich vor den vertrauten Flügeltüren stand. Es war weit und breit kein Page zu sehen, also öffnete ich mir selbst die Tür und trat ein.
    Sylvester, Luna und May befanden sich auf dem Podium am Ende des Saals. Sylvester saß auf seinem Thron und hatte Spike auf dem Schoß, Luna hockte vor ihm auf den Stufen und versuchte meinen schluchzenden Holing zu besänftigen. Alle vier blickten auf und starrten mich an, als die Tür wieder zuging. Ich starrte zurück. Was sollte ich auch sonst tun?
    Luna ließ May los und stand auf, eine Hand vor den Mund gepresst. Für ihre Verhältnisse sah sie regelrecht verwahrlost aus, ihr Gewand war völlig zerknittert und der Pelz an ihren Schwänzen ungekämmt. Nun stolperte auch May auf die Füße, immer noch in Tränen. Genau wie ich sah sie schlimm aus, wenn sie heulte.
    Eine Weile rührte sich niemand von uns. Dann fragte Sylvester vorsichtig: »Toby? Bist du das?«
    »Ja, ich bin’s.« Ich hielt das Schwert so vor mich, dass die Scheide flach auf meinen Handflächen ruhte. »Ich bring Euch Euer Schwert zurück. Danke fürs Leihen.«
    Ich hätte schwören können, dass er sich nicht bewegte. Und ich mich auch nicht. Niemand von uns bewegte sich, und doch standen wir im nächsten Moment in der Mitte des Saals, und alle versuchten alle gleichzeitig zu umarmen. Spike wand sich unablässig zwischen meinen Knöcheln hin und her, und irgendwer weinte. Vielleicht war ich das.
    »Du bist voller Blut«, flüsterte Luna. »So viel Blut.«
    Ich zwang mich, ihrem Blick zu begegnen, und sagte: »Die Luidaeg hat mich auf dem Blutpfad hingeschickt.«
    Sie erstarrte, und ihre Augen wurden ganz groß. »Dann … mein Vater … ist er … ?«
    »Ja, Luna. Tut mir leid. Er ist tot.«
    »Oh.« Sie wandte sich ab und kniff sich in den Nasenrücken. »Ich verstehe.«
    »Es tut mir leid.«
    »Das soll es nicht. Keine weiteren Kinder. Kein Bedauern mehr.« Sie sah sich um und lächelte durch Tränen. »Ich werde um ihn weinen, aber ihretwegen lächeln. Und deinetwegen.«
    »Gut«, sagte ich. Dann sah ich meinen Holing an. Sie hatte sich nach der ersten stürmischen Umarmungsrunde etwas zurückgezogen und musterte mich vorsichtig. »May?«
    »Ja?«
    »Tut mir leid, dass ich zurückmusste.«
    »Tja, na ja.« Sie schniefte. »Muss sich denn immer alles um dich drehen? Dickschädel.«
    »Ja«, sagte ich und schmunzelte. »Das bin ich wohl.«
    »Okay«, sagte sie und lächelte zögernd. Es war nicht mein Lächeln. Sie hatte ein eigenes Lächeln entwickelt. Ich beugte mich vor und schloss sie in die Arme. Nach einer Schrecksekunde drückte sie mich liebevoll an sich.
    War sie der Beweis, dass ich sterben musste? Nun ja, vielleicht, mag sein. Aber normalerweise erscheint ein Holing,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher