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October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition)
Autoren: Seanan McGuire
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Keine mitternächtlichen Jagden mehr, keine geraubten Kinder, kein weiteres Blut an seinen Händen – und an meinen.«
    »Blutige Hände.« Ich schaute auf meine eigenen Hände hinunter, halb fürchtend, was ich dort sehen würde. Unter meinen Nägeln und in den Falten meiner Finger klebte getrocknetes Blut, aber die Schnitte waren verschwunden. Meine Haut war heil. »Ich blute gar nicht.«
    »Du hast die Gebühr entrichtet.«
    Ich wollte aufstehen und zuckte zusammen, als ich vergeblich versuchte, Gewicht auf meinen linken Arm zu legen. Ich sah hin und stellte fest, dass meine Jacke und mein Pullover bis zum Ellbogen aufgeschlitzt waren. Die Wunde darunter war lang und offen. »Nicht ganz, wie es scheint.«
    »Das hat dir mein Mann zugefügt. Es gehörte nicht zur Gebühr.« Sie senkte das Gesicht und öffnete die Augen. »Betrachte es als Teil deines Andenkens.«
    »Was geschieht nun? Seid Ihr frei?«
    »Was heißt ›frei‹, das frage ich mich.« Acacia schüttelte den Kopf. »Ich werde diese Lande nicht verlassen, wenn du das meinst. Zu lange schon sind sie mein Zuhause. Die Welt, aus der du kommst, kenne ich nicht. Sie wäre mir keine Heimat.«
    »Luna ist dort.«
    »Ich weiß. Ich werde sie besuchen – jetzt kann ich das. Ich kann alle meine Kinder besuchen.« Diesmal war ihr Lächeln süß und sehnsüchtig. »Ich habe sie vermisst. Besonders Luna.«
    »Ich glaube, sie hat Euch auch vermisst.«
    »Sie war immer ein liebes Mädchen. Sie hat versucht, bei mir zu bleiben. Aber hier starb sie.«
    Ich sah sie nachdenklich an. In den verschlungenen Gold- und Brauntönen ihrer Haare zeigten sich Spuren von Grün. Ich war bereit, darauf zu wetten: Im Laufe der Genesung des Waldes würde Acacia blühen. »Nicht nur sie.«
    »Nein, nicht nur sie.« Sie seufzte. »Er war nicht immer so. Ich will nicht rechtfertigen, was er getan hat oder was aus ihm geworden war, aber es gab eine Zeit, da war er … «
    »Zurechnungsfähig?«, schlug ich vor.
    Acacia sah mich mit düsterer Miene an. »Sind Fae jemals zurechnungsfähig? Wir leben in einer Welt, die die halbe Zeit gar nicht da ist. Wir behaupten, Windmühlen seien Riesen, und weil wir es sagen, wird es wahr. Unsere Leben werden zu Mythen und Legenden, bis wir selbst nicht mehr unterscheiden können, was wir wirklich sind und was man nur von uns sagt. Wie könnten wir so leben und dabei wirklich zurechnungsfähig sein? Mein Gemahl war nie zurechnungsfähig, aber einst war er meine Liebe. Irgendwo wird er das immer sein. Dort, wo die Es-war-einmals hingehen, wenn ihre Zeit gekommen ist.«
    Ich nickte und stand auf, wobei ich darauf achtete, meinen linken Arm nicht zu belasten. Als ich auf den Füßen stand, lehnte ich mich an den nächsten Baum und machte eine sorgfältige Bestandsaufnahme. Mein Körper war von Kopf bis Fuß voller Blut, aber die Wunde an meinem Arm war die einzige bleibende Verletzung. Alle anderen Schnitte waren durch Magie entstanden und offenbar auf demselben Weg wieder verschwunden.
    Ich blickte auf und sah, dass Acacia mich anschaute. »Ich denke, du wirst es überleben«, sagte sie.
    »Das glaube ich auch«, erwiderte ich. »Vermutlich sollte ich jetzt – «
    »Ja, das solltest du.« Sie zeigte auf den Boden. Da war Sylvesters Schwert, es steckte sorgsam in seiner Scheide, daneben lagen die beiden Messer, mit denen ich Blind Michael getötet hatte. »Ich habe deine Sachen gepackt, und ich bin sicher, es gibt Leute, die unbedingt erfahren sollten, dass du überlebt hast. Ich hätte eher auf deinen Tod gewettet. Bestimmt geht das vielen so.«
    Spontan griff ich nach ihren Händen. »Kommt mit mir.«
    »Ich kann nicht«, sagte sie und lächelte. »Ich muss hierblieben. Die Kinder brauchen mich.«
    Eiche und Esche, die verlorenen Kinder. »Sind sie – werden sie wieder gesund?«
    »Nein«, sagte sie schlicht. »Sie sind Reiter, und sie werden für immer hierbleiben. Aber es wird für sie besser, als es war. Dies sind jetzt meine Lande. Die Jagd ist vorbei, und wir werden ein anderes Leben führen. Ich weiß noch nicht, was für eins. Aber wir finden es heraus.«
    »Allein?«
    »Wenn wir müssen.« Sie ließ meine Hände los. »Du hast uns verschafft, was wir brauchen, October. Du hast uns unsere Freiheit gegeben. Jetzt geh heim und mach deiner Familie das gleiche Geschenk.«
    Ich bückte mich, um meine Waffen aufzuheben, und hielt inne, ehe ich das zweite Messer ergriff. Ich hatte damit getötet: Es war nun das meine. Entschlossen schob ich beide
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