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Oceano Mare - Das Märchen vom Wesen des Meeres

Oceano Mare - Das Märchen vom Wesen des Meeres

Titel: Oceano Mare - Das Märchen vom Wesen des Meeres
Autoren: Alessandro Baricco
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…«
    »Gewiß, mein Herr.«
    »Eine Krankheit?«
    »Ja.«
    »Nein, Angst habe ich keine. Davor habe ich keine Angst, wirklich nicht.«
    »Das werde ich tun.«
    »Ja.«
    »Ja.«
    »Dann leben Sie wohl.«
    »……………………«
    »Mein Herr …«
    »Mein Herr, verzeihen Sie …«
    »Mein Herr, ich wollte noch sagen, ich weiß, daß es mir schlechtgeht und ich manchmal nicht einmal fähig bin hinauszugehen, selbst zu rennen fällt mir …«
    »Ich wollte noch sagen, daß ich es will, das Leben, ich würde alles tun, um es zu besitzen, alles, was an Leben vorhanden ist, selbst wenn ich darüber wahnsinnig würde, ganz egal, selbst, wenn ich verrückt werden würde dabei, aber das Leben will ich nicht verpassen, ich will es wirklich, selbst wenn es tödlich schmerzen sollte, ich will leben. Ich werde es schaffen, nicht wahr?«
    »Ich werde es doch schaffen?« 
     
    Da die Wissenschaft merkwürdig ist wie ein seltsames Tier, das sich seine Höhle an den absonderlichsten Orten sucht und nach peinlich genauen Plänen arbeitet, die von Außenstehenden für völlig undurchschaubar und manchmal geradezu komisch gehalten werden; sie scheinen ein Herumvagabundieren im Leeren zu sein, dagegen sind es geometrische Jagdpfade, mit geschickter Kunstfertigkeit aufgestellte Fallen und strategische Schlachten, die einen unter Umständen in Erstaunen versetzen können, wie es nämlich dem Baron von Carewall geschah, als jener schwarz gekleidete Doktor schließlich zu ihm sprach, wobei er ihm mit kaltblütiger Selbstsicherheit, wenn auch – so könnte man sagen – mit einem Hauch von Zartgefühl, in die Augen schaute, eine völlige Absurdität, wenn man die Männer der Wissenschaft und Doktor Atterdel im besonderen kannte, dennoch nicht gänzlich unverständlich, wäre man fähig, bis in den Kopf des selbigen Atterdel vorzudringen, besonders aber in seine Augen, in denen sich das Bild jenes gewichtigen und starken Mannes – keines Geringeren als des Barons von Carewall persönlich – fortwährend in den Anblick eines in seinem Bett zusammengerollten Mannes verwandelte, der darin schlief wie ein Kind, der große und mächtige Baron und das kleine Kind, der eine in dem anderen waren sie voneinander nicht mehr zu unterscheiden, so daß er am Ende ganz gerührt war, obwohl es sich um einen echten Wissenschaftler handelte, und unbestreitbar war Doktor Atterdel ein solcher in dem Augenblick, in dem er mit kaltblütiger Selbstsicherheit und einem Hauch von Zartgefühl dem Baron von Carewall in die Augen schaute und ihm sagte: Ich kann Ihre Tochter retten – er kann meine Tochter retten –, aber es wird nicht leicht und auf eine gewisse Weise auch äußerst riskant sein – riskant? –, es ist ein Experiment, wir wissen noch nicht mit Sicherheit, zu welchen Auswirkungen es möglicherweise kommt, glauben aber, daß es in Fällen wie diesem helfen kann, das haben wir oft genug erlebt, aber niemand kann mit Sicherheit sagen … da ist er, der unanfechtbar logische Fallstrick der Wissenschaft, die unerforschlichen Jagdpfade, der Kampf, den der schwarz gekleidete Mann gegen die schleichende und nicht faßbare Krankheit eines jungen Mädchens aufnehmen wird, das zu zerbrechlich ist, um zu leben, und zu lebendig, um zu sterben. Gegen eine eingebildete Krankheit, die aber einen Feind hat, einen ungeheuren dazu: ein riskantes, aber durchschlagendes, wenn auch bei genauer Sicht absurdes Heilmittel, so absurd, daß selbst der Mann der Wissenschaft die Stimme senkt in ebendem Augenblick, in dem er vor den regungslosen Augen des Barons den Namen ausspricht, nicht mehr als ein Wort, aber es ist das, was seine Tochter retten oder umbringen, wahrscheinlicher aber retten wird, ein Wort nur, ein auf seine Weise grenzenloses, ein magisches gar, ein unzumutbar einfaches Wort.
    »Das Meer?«
    Reglos, die Augen des Barons von Carewall. So weit seine Ländereien reichen, gibt es in dem Augenblick nirgends ein kristallklareres Staunen als das, was gerade auf seinem Herzen um Gleichgewicht ringt.
    »Sie wollen meine Tochter durch das Meer retten?«

5
     
    Ganz allein, in der Mitte des Strandes, stand Bartleboom und schaute. Die Füße nackt, die Hosenbeine hochgekrempelt, damit sie nicht naß wurden, trug er eine Kladde unter dem Arm und eine Wollmütze auf dem Kopf. Leicht vornübergebeugt schaute er: zu Boden. Er studierte den exakten Punkt, an dem die Welle sich streckte, nachdem sie sich etwa zehn Meter weiter im Meer gebrochen hatte – ein See
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