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Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Titel: Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still
Autoren: Gerbrand Bakker
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fällt schon was ein.«
    »Es muß schnell gehen, und am liebsten würde ich alles auf einmal abgeben.«
    »Überlaß das nur mir.« Auf dem Weg zum Wagen fiel ihm noch etwas ein. Er kam zurück. »Und deine Milchquote?«
    »Die ist nicht deine Sache.«
    »Gut, gut.«
    Zwei Tage darauf kam er wieder auf den Hof gerast. Mit unbewegter Miene nannte er mir einen Betrag. »Aber damit ist dann für dich auch gleich alles erledigt«, fügte er sofort hinzu. »Und ich gehe das Risiko ein, ich muß so viele Tiere kurzfristig absetzen, und besonders viel Stallraum hab ich . . .«
    »Ich hab’s mir anders überlegt«, sagte ich.
    »Was?!«
    »Die Schafe bleiben, und die Lämmer auch.«
    Bei der darauffolgenden Rechnerei schienen sich seine Pupillen leicht zu verfärben. Nach einiger Zeit nannte er einen niedrigeren Betrag. »Tatsache bleibt aber«, sagte er, »daß das Risiko bei mir liegt, und wenn ich . . .«
    »Gut«, sagte ich.
    »Ja?« fragte er verblüfft.
    »Ja.«
    »Ah, ja, dann . . .«
    »Wann?«
    »Bald«, antwortete er, schon viel weniger großspurig. »Bald.«
    Den Tag, an dem die Tiere abgeholt wurden, verbrachte ich in Vaters Schlafzimmer. Alle Fotos, die Sticklappen und die Aquarellpilze habe ich ordentlich in eine Kartoffelkiste gepackt. Ich habe sein Bett abgezogen, die Bettücher und Bezüge gewaschen, die Vorhänge abgenommen, die Fenster geputzt, den blauen Teppichboden gesaugt. Als ich das Staubsaugerrohrunters Bett schob, verschluckte die Düse sich fast an dem Gedicht, das dort immer noch lag.
    Komischer Vogel. »Du bist ein komischer Vogel«, hatte er zu mir gesagt. In dem Augenblick hatte das aus seinem Mund wie ein Ausdruck der Zuneigung geklungen.
    Ich setzte mich auf Vaters Bett und las den Text noch einmal durch. Ich schämte mich. Mußte ich einem alten, hinfälligen Mann wie ihm so ein Gedicht zu lesen geben? Ich faltete das Blatt nachlässig zusammen und steckte es in die Gesäßtasche. Eine Woche später habe ich es als Papiermaché aus der frischgewaschenen Hose geklaubt. Erst am Abend ging ich in den Stall, als es schon zu dämmern anfing. Er war leerer als leer: Alles war noch da – Stroh, Mist, Staub, Wärme –, nur die Kühe nicht. Das gleiche galt für den Jungviehstall. Nein, da war es noch leerer, weil ich beim Reingehen gerade noch den Schwanz von einer weghuschenden Katze sah, von einer der ewig verschleimten wahrscheinlich.
    Am Tag danach habe ich einen Brief an Staatsbosbeheer geschrieben. Darin teilte ich den Damen und Herren mit, daß ich nicht gewillt sei, das Grundstück zu verkaufen, auf dem sie ein Besucherzentrum bauen wollten. Und daß es mir sehr lieb wäre, keine weitere Post zu erhalten, bis ich selbst wieder mit ihnen Kontakt aufnehmen würde. Bis zu dem Tag, an dem wir uns auf den Weg nach Dänemark gemacht haben, ist keine Antwort gekommen. Das hatte ich ja auch so gewollt.
    Als der Brief fertig war, habe ich nach einem Behältnis für meine Reisesachen gesucht. In einem Schrank in der Scheune fand ich einen Koffer, einen alten, schweren Lederkoffer. Ich habe ihn eingefettet, um das Leder etwas geschmeidiger zu machen. In densechsunddreißig Jahren, in denen ich mich unter die Kühe gebückt habe, bin ich nicht ein einziges Mal in Urlaub gefahren. Ich frage mich, wann Vater und Mutter das Ding benutzt haben. Sie sind auch nie in Urlaub gefahren.
    Außerdem mußte ich zur Rabobank, um eine Bankkarte zu beantragen. Wenn man ins Ausland fährt, braucht man eine Bankkarte. Es dauerte zwei Wochen, bis ich sie abholen konnte. In der Zeit habe ich – warum, ist mir immer noch nicht klar – die Küche renoviert. Ich habe gestrichen, ich habe die alten Vorhänge weggeworfen und eine Lamellenjalousie angebracht, und ich habe den Schreibtisch ausgeräumt. Fast wäre ich noch nach Monnickendam gefahren, um in einem Möbelgeschäft nach Küchen zu schauen. »Hast du Feuer gemacht?« fragte Ronald, einen Tag, nachdem ich mit allem fertig geworden war, als er hinter dem Eselstall einen schwelenden Aschehaufen entdeckt hatte. »Ohne uns zu rufen?« ergänzte Teun, der auch gekommen war.

    Wir sitzen draußen, auf den Fliesen unter dem Vordach. Heute hat es ein Weilchen geregnet, aber es ist nicht kalt. Der Garten dampft, und der Bambus neben dem Haus scheuert leise über die Bretter der Seitenwand. Wir haben Rote Bete und eine Art Frikadellen gegessen, die man bei Spar fertig kaufen kann. Dazu haben wir eine Flasche Rotwein getrunken. Wein ist teuer in Dänemark.
    »Was machen
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