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Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Titel: Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still
Autoren: Gerbrand Bakker
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Garten, unter einem knorrigen Birnbaum, der längst ausgeblüht hatte. Im Boden steckte ein Kreuz, aus zwei Metallteilen geschweißt. Die umgegrabene Erde bildete noch einen kleinen Hügel. In seinem Wohnzimmer stand ein großer Schrank mit mindestens doppelt so vielen Büchern wie früher im Knechtshaus. Er füllte noch einmal großzügig mein Glas. Seins nicht, weil er fahren wollte. Ich kippte den Schnaps hinunter; was sollte ich in Friesland, ich wollte viel weiter nach Norden.
    Kurz hinter der Grenze bei Nieuweschans machten wir schon wieder halt, weil er Hunger hatte. »Jetzt essen wir was, Eselmann«, sagte er. Es war mir recht.
    Wenn man sich ein bißchen beeilt, kann man es gut an einem Tag bis nach Dänemark schaffen, viel mehr als siebenhundert Kilometer sind es nicht. Aber wir beeilten uns nicht und übernachteten ein Stück hinter Hamburg in einem Rasthof. »Doppelzimmer?« fragte die Frau an der Rezeption gelangweilt. »Ja klar«, sagte er. »Das ist billiger, was?« In dem riesigen Bett lagen wir beide auf dem Rücken, ich hatte meine Hände auf dem Bauch gefaltet. Ob er auch so dalag, weiß ich nicht. Als ich aufwachte, hatte ich Geburtstag. Ich wollte es ihm verschweigen, aber da gab es nichts zu verschweigen. Er wußte es noch. Wie das möglich sei, wollte ich wissen.
    »Ich bin dreizehn Jahre hintereinander nicht zu eurem Geburtstag eingeladen worden«, sagte er. »Glaubstdu, so was vergißt man? Während ich wie immer bei der Arbeit war, seid ihr großartig mit euren Papierhütchen rumgerannt. Manchmal seid ihr sogar zu mir gekommen und habt ganz stolz ›Wir haben Geburtstag!‹ gerufen.«
    Ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Er sagt es, also wird es stimmen.
    Manchmal vergesse ich, daß er mich schon als Rotznase gekannt hat. Manchmal vergesse ich auch, daß er bei Vater angefangen hat, als er selbst noch ein Junge war. So etwa in Henks Alter.
    In Puttgarden nahmen wir die Fähre nach Rødby. Die Überfahrt dauerte nur eine Dreiviertelstunde. Als wir ankamen, setzte ich mich ans Steuer, und dann lenkte ich den Wagen bei der ersten Gelegenheit an den Straßenrand.
    »Was machst du, Eselmann?« fragte er.
    Ich antwortete, daß wir jetzt in Dänemark seien und daß ich dieses Land endlich unter meinen Füßen spüren wolle.
    »Es gibt noch viel mehr Dänemark«, sagte er. »Vor uns.«
    Unterwegs hatte ich immer wieder das Gefühl, schon einmal hier gewesen zu sein; ich kannte fast alle Ortsnamen auf den Schildern. Vor Kopenhagen kauften wir in einer Tankstelle etwas zu essen, und erst da stellten wir fest, daß wir in Dänemark nicht mit Euro bezahlen konnten. Der junge Kassierer nahm die Scheine zwar an, aber ich glaube, nur widerwillig. Hinter Kopenhagen (»viel zu groß«, meinte Jaap; »viel zu voll, wir fahren weiter«) habe ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Bankkarte in einen Geldautomaten gesteckt, meine Geheimzahl eingegeben und Geld aus einem Schlitz gezogen. Kronen. Jaap besitzt entweder keine Bankkarteoder hat sie nicht mitgenommen. Ich werde alles bezahlen. Weil wir nicht wußten, wo wir hinwollten, beschlossen wir weiterzufahren, bis es nicht weiterging. So sind wir in diesem Dorf mit dem unaussprechlichen Namen gelandet.

    Das Land hier ist wellig, und es gibt keine Wassergräben. Man sieht auch kaum Kühe, die werden anscheinend vor allem in Jütland gehalten. Wo Jarno Koper ist. Wenn wir überhaupt einmal Kühe sehen, sind sie meistens braun. »Fleisch«, brummt er dann, und wir schauen in eine andere Richtung. Weizen, Gerste und Roggen stehen auf den Feldern. Und Raps, ganze Hügel sind hier gelb von blühendem Raps, mit Wiesenkerbel an den Rändern. Vor ein paar Tagen habe ich in einem Garten einen Rhododendronstrauch und violetten Flieder blühen sehen, neben ein paar roten Tulpen. Alles scheint hier gleichzeitig zu blühen.
    Wenn die Dämmerung kommt, hören wir den traurigen Ruf eines Waldkäuzchens.

    Tot ist tot. Weg ist weg, und dann weiß ich von nichts mehr. Der neue Viehhändler kam wie gerufen. Er fuhr den kleinen Lastwagen des alten Viehhändlers; den habe er günstig übernehmen können, sagte er. Ein junger Draufgänger – der Wagen hatte ein paar Beulen, die er vor zwei Monaten noch nicht gehabt hatte – und ein Großmaul. Von Anfang an duzte er mich. Ob er kurzfristig zwanzig Kühe, etwas Jungvieh, zwanzig Schafe und einen ganzen Schwung Lämmer verkaufen könnte, fragte ich ihn.
    »Kein Problem!« rief er.
    »Wie willst du das denn machen?«
    »Mir
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