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Ob das wohl gutgeht...

Ob das wohl gutgeht...

Titel: Ob das wohl gutgeht...
Autoren: Robert Tibber
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Woche gehört hatte, fing ich an, zu zweifeln, ob ich noch eine Praxis hatte oder vielleicht eine Diskothek.
    Die größte Überraschung indessen war Freds allgemeine Beliebtheit. Ich hatte erwartet, daß die jüngeren Patienten ihn sicher mit offenen Armen empfangen würden, weil sie fühlten, daß hier jemand ihres Alters war, der ihre Sprache sprach und sich mit ihren Problemen befaßte. Die älteren Leute, glaubte ich, würden ihm mit Mißtrauen, ja sogar mit Abneigung begegnen und vielleicht sogar seine Anwesenheit in der Praxis ablehnen. Ich hätte keine falschere Voraussage tun können. An seinem ersten Arbeitstag beschloß ich in einem bösen Augenblick voller Hinterlist, Fred an den Carter-Beils auszuprobieren, einer etwas »merkwürdigen« Familie, wie man sie nicht so rasch wiederfinden konnte. Mr. Carter-Bell war Börsenmakler. Er lebte mit Frau Marion Carter-Bell, einem Sohn und einer Tochter in einem eleganten Einfamilienhaus, dessen Hortensien stets in üppiger Blüte standen und dessen Anstrich in regelmäßigen Abständen erneuert wurde. Der Haushalt lief unter dem Zepter von Marion Carter-Bell, die, wie ihr Gatte, stets makellos gekleidet war, und einem Paar ausgezeichneter spanischer Hausgehilfen wie ein Uhrwerk. Immer standen frische Blumen in den Räumen, immer waren kleine Schälchen mit Süßigkeiten gefüllt, immer war Staub gewischt. Zu welcher Stunde des Tages man sie auch besuchte — stets waren sie tadellos angezogen. Im Winter saßen sie vor dem Kamin mit einem künstlichen Feuer, tranken Kaffee und knabberten Pfefferminzplätzchen der Marke »After Eight«; im Sommer saßen sie in ihrem gepflegten Heimgarten unter gestreiften Sonnenschirmen und ruhten sich in weißlackierten schmiedeeisernen Gartenstühlen aus, aus denen sie sich makellos wieder erhoben, denn ihre Freizeitkleidung stammte aus einem erstklassigen Londoner Geschäft. Auf der Terrasse gab es natürlich auch einen Holzkohlengrill, an dem Mr. Carter-Bell am Sonntag mittag mit vorgebundener Schürze die Steaks eigenhändig grillte, assistiert von seinem spanischen Hausgehilfen und von Mrs. Carter-Bell, die die Steaks persönlich mit Tabascosoße beträufelte. Gemäß der Tradition der Familie waren Richard und Fiona vorbildlich studierende und ehrerbietige Kinder, die niemals häßlich zu ihren Eltern waren. Es war die Art von Haushalt, die einen geradezu herausforderte, sich flegelhaft zu benehmen oder zumindest Zigarettenasche auf den Teppich fallen zu lassen. Ich bin sicher, daß es schiere Boshaftigkeit von meiner Seite war oder vielleicht auch Neid wegen ihrer Vollkommenheit, die mich Fred zu ihnen schicken ließ. Die Patientin war Mrs. Carter-Bell. Mr. Carter-Bell war natürlich zu Hause geblieben und kommandierte das ganze Haus. Er war auch bei der Geburt seiner beiden Kinder zugegen gewesen und hatte, auch das möchte ich beschwören, jeden Wechsel der Windeln persönlich angeordnet. Als sie heranwuchsen, war er es, der ihre Schule auswählte, ihre Freundschaften und ihre Fortschritte in der Schule überwachte. Außerdem interessierte er sich stets für die Küche, begleitete seine Frau zu jeder Anprobe zur Schneiderin, diktierte die Inneneinrichtung sämtlicher Räume und kaufte persönlich jeden vergoldeten Türknauf. Es wunderte mich, daß die Börse das überstand. In diesen Hafen der Redlichkeit beschloß ich Fred zu entsenden, der vom ersten Tag an bei seiner Tätigkeit als mein Assistent kein Zugeständnis an die Konvention gemacht hatte. Zwar trug er nicht die Purpurhosen, doch hatte er sie durch andere ersetzt, die so grün wie Spinat waren und zu denen er ein brombeerfarbenes Hemd trug. Socken schienen in seiner Garderobe überhaupt nicht vorzukommen. Ich kicherte in mich hinein, während ich mir ausmalte, was für ein Gesicht Mr. Carter-
    Bell machen würde, und ich war nicht überrascht, als dieser etwa nach einer knappen Stunde, während welcher Fred dessen Frau untersucht hatte, die eine »unangenehme Erkältung« hatte, bei mir anrief. Wie ich erwartet hatte, war er verärgert.
    »Doktor«, sagte er, »ich habe Sie heute morgen um eine Visite bei meiner Frau gebeten.«
    »Ja?«
    »Sie fühlte sich wirklich ganz elend.«
    »Ich habe doch meinen neuen Assistenten, Dr. Perfect, mit dem Besuch bei Ihnen beauftragt«, sagte ich glatt. »Hat er Ihrer Frau nicht helfen können?«
    »Nun«, sagte Carter-Bell, »Manuel ist schuld. Der Narr ließ auf dem Heimweg von der Apotheke die Flasche fallen. Ich hätte nun
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