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O diese Rasselbande

O diese Rasselbande

Titel: O diese Rasselbande
Autoren: Rosemarie Ditter
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auch noch die Klassenschränke zu kontrollieren.
    „Eben“, ertönt es unter dem Lehrerpult heraus, „du solltest mir helfen, statt dich wie ein verliebter Kater aufzuführen.“
    Jule steckt mühsam den Wuschelkopf hervor, denn unter dem Pult ist es bedeutend enger als im Schrank.
    „Diktier’ mir mal ein bißchen, sonst werde ich nicht fertig.“
    „Ihr habt überhaupt kein Kunstverständnis“, tadelt Fips, „und wenn ihr für Latein gar nischt mehr tut, möchte ich wissen, wie ihr nachher die Klassenarbeit lebend überstehen wollt.“
    „Kleine Fische“, sagt Onkel aus dem Schrank, „ich habe mir einen zünftigen Spicker gemacht.“
    „Und ich krieg’ einen von Fridolin“, wirft Jule ein.
    „Hähä“, höhnt Fips, „ihr wißt genau, daß man beim Lupus nicht spicken kann. Bei allen kann man, aber beim Lupus kann man nicht. Wenn der sich ’ne Zeitung vors Gesicht hält, ist das gefährlicher, als wenn der Tippel während der Mathematikarbeit in einem fort durch die Klasse rennt.“
    „Tippel zu beschummeln ist ’ne Kleinigkeit“, sagt Onkel wegwerfend, „gerade weil er immer rumrennt. Hinten hat er schließlich keine Augen.“
    „Nee, sogar die Hühneraugen hat er vorn“, sagt Fips. „Man sagt übrigens, der Lupus guckt durch ein Loch in der Zeitung.“ »Das ist ’ne Legende, bewiesen hat das noch keiner“, entgegnet Onkel. ,'Ich jedenfalls glaube an diesen Schmus nicht.“
    „Ob Legende oder nicht“, ruft Jule und kriecht ächzend unter dem Pult hervor, denn ihm sind die Beine eingeschlafen. „Jedenfalls ist es der Rasselbande unwürdig, sich von billigen Tricks ins Bockshorn jagen zu lassen. Ich werde der Sache auf den Grund gehen, und beim Barte des Propheten, ich werde ihm gleichzeitig einen Denkzettel geben.“
    „Denkzettel ist gut, wie willste denn das machen?“ fragt Fips. Jule überlegt.
    „Wenn er sich wieder hinter seiner Zeitung verschanzt, werde ich ein Stück Papier durch die Klasse gehen lassen. Dann wird es sich ja zeigen, ob er es sieht oder nicht.“
    Aus dem Schrank kommt ein Stöhnen, das anzeigt, daß Onkel dabei ist, seine langen Beine herauszuschieben, um dem interessanten Gespräch etwas näher zu kommen.
    „Und was willste auf den Zettel schreiben?“ fragt er.
    „Weiß ich noch nicht, jedenfalls etwas, woran er lange denken wird. Er soll wissen, daß die Rasselbande sich durch seinen Zeitungstrick nicht beeindrucken läßt.“
    Fips hält den Kopf etwas schief und sieht träumerisch ins Weite. „Das mache ich“, sagt er, „den Text brüte ich aus.“
    Jule ist einverstanden. Mit Fipsens Schlagfertigkeit kann es niemand aufnehmen. Der ist in Ordnung.
    Die Glocke schrillt durch die Gänge.
    „Mahlzeit“, sagt Jule, „ich bin natürlich nicht fertig.“
    „Wir haben erst Deutsch bei ,Vaddi‘“, tröstet Fips.
    Mit „Vaddi“ meint er den Klassenlehrer, den sie in der Schule auch den „Löwenbändiger“ nennen und von dem Fips einmal gesagt hat: „Es ist leichter, Löwen zu bändigen, als die Rasselbande zu zähmen!“
    Vorläufig scheint es wirklich leichter zu sein.
    Die Tür springt auf, und die Rasselbande poltert herein. Der ganze Raum ist sofort mit ihrer lebendigen Gegenwart erfüllt. Doch das Gewirr legt sich augenblicklich, als Studienrat Oertel die Klasse betritt.
    Straff stehen die Jungen neben ihren Bänken.
    „Setzen“, sagt Studienrat Oertel.
    Vierundzwanzig Köpfe, dunkle, braune und helle, beugen sich bald darauf über die Lesebücher.
    Der Studienrat öffnet die Fenster weit, damit die milde Mailuft bis in die dunkelsten Ecken des Klassenzimmers eindringen kann. Die Jungen sind unruhig und voller Tatendrang. Es fällt ihnen schwerer als sonst, die verlangte Disziplin in der Stunde zu halten, und das Gedicht, das sie abwechselnd mit monotoner Stimme lesen, ist nicht dazu angetan, sie besonders zu begeistern.
    Die Stunde verrinnt langsam.
    „Genug für heute“, sagt der Studienrat endlich, „die drei ersten Strophen werden auswendig gelernt.“
    Er steht vor seiner Klasse, die Hände in den Taschen, und wippt auf den Zehen.
    »Ja, und dann hätte ich noch eine Überraschung für euch“, er hält inne und fährt genießerisch mit der Zungenspitze über die vollen Lippen, daß sie feucht glänzen.
    »Wir bekommen Anfang nächster Woche einen Zugang. Euer neuer Klassenkamerad ist kein Junge, sondern ein Mädchen.“ Mit einem Ruck heben sich alle Köpfe.
    Ein Mädchen!
    Das Wort steht fremd und drohend im Raum. Fips hat in
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