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O diese Rasselbande

O diese Rasselbande

Titel: O diese Rasselbande
Autoren: Rosemarie Ditter
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bringen“ nennen sie das.
    Und dies ist wieder so ein Augenblick.
    Gleich wird es los gehen. Wird der Lupus toben, wird es Strafarbeiten regnen, wird er spornstreichs mit dem „Denkzettel“ zum Rex laufen? Fast halten sie den Atem an, als sich seine Hand hinter der Zeitung hervorstreckt und das weiße Stück Papier verschwindet.
    Dr. Wolf greift sich den Zettel, legt ihn schön glatt über seinen Zeitungsartikel und liest:

Liegt der Lupus auf der Lauer
hinter seinem Zeitungsblatt,
gleich wie hinter einer Mauer,
wo er sich verborgen hat,
Schüler, dann sei auf der Hut,
weil er dich erwischen tut!

Nur in dieser einen Klasse
wird es ganz vergeblich sein,
daß er einen Schüler fasse,
denn uns legt man nicht herein,
weil durch eine solche List,
niemand hier zu fangen ist.

    Die Köpfe der Rasselbande sind dicht über die Hefte gebeugt. Die Federn gleiten über das Papier, und jeder müßte sich freuen über so viel Eifer, den die Jungen bei ihrer Übersetzung an den Tag legen.
    Dr. Wolf faltet ruhig seine Zeitung zusammen, zieht seinen Stuhl wieder hinter das Katheder, schaut nachdenklich aus dem Fenster, - schreibt - spielt mit dem Federhalter und scheint mit seinen Gedanken weit fort.
    Es geschieht - nichts.
    Die UIII ist erstaunt, enttäuscht, ratlos.
    Das ist doch nicht denkbar, daß der Lupus das einfach so auf sich sitzen läßt. Noch niemals hat er den Eindruck gemacht, als ließe er sich verhohnepipeln. Aber wirklich, er sitzt da ganz friedlich, und das Wunder geschieht - Onkel kann unangefochten seinen Spicker verwenden, und Jule hat längst einen von Fridolin.
    Kurz vor dem Klingeln erschallt es:
    „Hefte einsammeln!“
    Ruhig nimmt Dr. Wolf den Packen entgegen und geht zur Tür. Plötzlich scheint ihm etwas einzufallen, er stockt.
    „Du kannst deinen Wisch wieder abholen, Traber“, sagt er und verläßt den Raum.
    Wie Raubtiere stürzen sie sich auf das Pult.
    Fips, flink wie ein Wiesel, und außerdem im Vorteil, weil er ziemlich weit vorn sitzt, erwischt den „Denkzettel“ zuerst. Dr. Wolf hat in seiner großen, zügigen Schrift etwas unter die Verse geschrieben.
    „Lies vor", verlangen die Jungen stürmisch. Und Fips liest:

Welches Hornvieh will sich brüsten,
daß der Lupus es nicht fängt,
sollt’ es wirklich ihn gelüsten,
da er eure Schliche kennt.
Denn der Lupus, daß ihr’s wißt,
auch mal jung gewesen ist.

    Überwältigt läßt er das Papier sinken und starrt die Rasselbande an, und die Rasselbande starrt ihn an.
    Donnerwetter, wer hätte das gedacht, der Lupus hat nicht nur Geist, er hat sogar Humor. Seine „Dichtkunst“ beeindruckt sie mehr als jedes Getöse, das er hätte in Szene setzen können. Der Lupus ist ein Kerl, finden sie, und ihre Achtung vor ihm ist beträchtlich gestiegen---
    Dr. Wolf geht den Gang hinunter und lächelt.
    „Das ist aber eine Seltenheit“, sagt Dr. Meyer, der sich ihm anschließt, „daß einer aus der UIII kommt und lächelt.“ Und Dr. Wolf antwortet verschmitzt:
    „Ich habe ihnen eben einen Denkzettel gegeben.“

    Nachspiel:
    „So, so“, sagt Vaddi anderntags munter, als er die Klasse betritt, „wir haben einen verkappten Goethe in der Klasse.“ Die Jungen wissen sofort, was er damit meint, und lächeln selbstgefällig.
    „Na, Fips“, fährt er freundlich fort, „wie wär’s denn mit dem Gedicht zu heute?“
    Mit welchem Gedicht? drückt Fipsens ahnungsloses Gesicht aus, aber er schweigt wohlweislich.
    „Aber Fips“, lacht Vaddi, „du bist doch sonst nicht schüchtern, nun mal ran!“
    Fips kommt langsam hoch.
    „Ein Gedicht“, sagt er - und dann mit lauter Stimme:
    „Der Taucher!“
    Und dann leise werdend:
    „Gluck, gluck - weg war er“, und sinkt langsam in die Bank zurück.
    Stille!
    Die Rasselbande unterdrückt gewaltsam das Lachen. Nur jetzt kein Gelächter. Merkt Fips denn nicht, daß Vaddi hinter seiner Freundlichkeit das Dynamit in seiner Brust verbirgt?!
    „Na und?“ fragt Vaddi, „war das alles? - Komm’ mal nach vorn.“ Fips trottet zum Katheder.
    Versuch’* doch noch mal, geht’s nicht ein bißchen länger?“ Tatsächlich, Vaddi will Fips auspressen, wie eine Zitrone.
    Fips dreht sich der Klasse zu. Wenn er schon untergehen soll, dann mit wehender Fahne.
    „Noch’n Gedicht.

    Der Taucher!
Wer wagt es, Knappersmann oder Ritt,
Rittersmann oder Knapp,
zu schlauchen in diesen Tund,
zu tunten in diesen Schlauch,
zu tauchen in diesen Schlund,
zu ...“

    Vaddi hält sich die Hand vor die Augen.
    Nein, es geht
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